Glanzlichter der Tora – Wochenabschnitt Beha’alotcha – Wer ist die dunkelhäutige Frau?

Datum: | Autor: Rav Schimschon Raphael Hirsch | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
dunkelhäutige Frau

Raw Schimschon Raphael Hirsch war eine herausragende Gestalt des 19. Jahrunderts, welche durch ihr segensreiches Tun das deutsche Judentum vom Untergang rettete. Raw Hirsch verfasste mehrere Bücher, u.a. seinen Kommentar zur Tora – hier Kostproben davon.

Bearbeitet von Dr. Ari Lewenstein und erschienen im Buch „Glanzlichter der Tora – Meore Hassar“.

 

Wer ist die dunkelhäutige Frau (אִשָׁה כֻשִׁית)?

(א) וַתְּדַבֵּר מִרְיָם וְאַהֲרֹן בְּמֹשֶׁה עַל אֹדוֹת הָאִשָּׁה הַכֻּשִׁית אֲשֶׁר לָקָח כִּי אִשָּׁה כֻשִׁית לָקָח: (ב) וַיֹּאמְרוּ הֲרַק אַךְ בְּמֹשֶׁה דִּבֶּר ה‘ הֲלֹא גַּם בָּנוּ דִבֵּר וַיִּשְׁמַע ה‘:

Kap. 12,1-2: Mirjam und Aharon sprechen etwas Nachteiliges über Mosche und zwar aus Veranlassung Da sprach Mirjam und Aharon über Mosche in Betreff der „Mohrin“ [Dunkelhäutigen], die er geheiratet hat, denn „eine Mohrin“ (eine Dunkelhäutige) hat er geheiratet (1). Sie sagten: Hat denn ganz allein nur an [mit] Mosche G“tt geredet? Hat nicht auch an [mit] uns Er geredet? Und es hörte es G“tt (2).

Der dunkelhäutigen Frau, die er genommen hat. Von welcher Frau sprechen sie? Ist die „Mohrin“ nach dem Wortlaut eine abessinische Frau, so stellt sich die Frage, wo wird berichtet, dass Mosche eine solche geheiratet hätte. Weshalb auch muss die Torah nachdoppeln und bestätigen: denn eine „Mohrin“ hat er – tatsächlich – genommen. Und schließlich, warum sollte ein solche Ehe ein Problem für die Geschwister sein?

Wenn mit „Mohrin“, wie die meisten Erklärer dies auffassen, seine richtige Frau Zipora gemeint ist, so ist die erste Schwierigkeit, dass sie eine Midjanitin und nicht Mohrin ist. Auch bei dieser Interpretation fragt sich, weshalb Mirjam und Aharon sich über diese Ehe aufhalten sollten, warum gerade jetzt und weshalb muss die Torah nachdoppeln: denn eine „Mohrin“ hat er genommen. Das ist doch längst bekannt.

Welche Interpretation auch gewählt wird, steht vor der Schwierigkeit zu erklären, was die beiden meinten, wenn sie sagten: Hat denn G“tt nur mit Mosche gesprochen?

Er hat doch auch mit uns gesprochen. Weshalb sollte Mosche eine „Mohrin“ heiraten, um würdig zu werden, dass G“tt mit ihm spricht? Oder hat etwa Mosche die „Mohrin“ geheiratet, weil G“tt mit ihm gesprochen hat?

Sifri erklärt deshalb, dass Mirjam und Aharon hier den Umstand kritisierten, dass Mosche sich nach Matan Tora am Sinai von seiner Frau Zipora trennte, um jederzeit für das Wort G“ttes bereit zu stehen. So musste sich ja auch Jisarel in den drei Tagen vor der Gesetzgebung von ihren Frauen trennen. Die Geschwister waren der Ansicht, dass Prophetie nicht erfordere, dass die ehelichen Beziehungen abgebrochen werden. Auch die Vorväter, Awraham, Jizchak und Jaakow waren Propheten, und ihr Eheleben wurde davon nicht beeinträchtigt. Dass Mosche sich getrennt hatte, erfuhr Mirjam erst unmittelbar vorher, bei der Berufung der siebzig Ältesten. Daher wurde Mosches Verhalten gerade jetzt ein Thema. Sie und Aharon wussten allerdings nicht, dass Mosche sich nicht aus eigenem Antrieb oder Hochmut, sondern auf Befehl G“ttes von Zipora getrennt hatte (Dewarim 5,27,28).

Dass Mosche und Aharon in erster Linie im Interesse von Zipora sprachen, sie als Leidtragende sahen, ergibt sich auch aus dem Ausdruck ”Wegen der Frau” עַל אֹדוֹת הָאִשָׁה.

עַל אֹדוֹת bezeichnet in der Torah üblicherweise den leidenden Gegenstand. Weshalb wird nun Zipora als Mohrin bezeichnet? Die Bezeichnung “Mohr” wird in Tanach an einigen Stellen für eine völlig unpassende Stellung oder Haltung gewählt. Ebenso kann der Ausdruck “eine Mohrin heiraten” bedeuten, dass es sich um eine unpassende Verbindung handelt, um eine Ehe, die völlig unvereinbar für die Partner ist, die aus welchen Gründen auch immer, gar nicht in die Praxis umgesetzt werden kann. Hier würde es bedeuten: Sie sprachen über Mosche wegen der “Mohrin”, die er nahm, das heisst, er hatte ein Frau, die er als “Mohrin” behandelte, von der er getrennt lebte. Dies traf genau auf Zipora zu.

Die Bescheidenheit Mosches – weshalb wird sie gerade hier erwähnt?

(ג) וְהָאִישׁ מֹשֶׁה עָנָיו מְאֹד מִכֹּל הָאָדָם אֲשֶׁר עַל פְּנֵי הָאֲדָמָה:

Kap. 12, 3: Und der Mann Mosche war äusserst demütig, mehr als alle Menschen, welche auf der Erdenfläche leben.

Mirjam und Aharon waren der Ansicht, dass Mosche in eigener Kompetenz, mit einem gewissen Mass an Selbstüberhebung – er müsse G“tt jederzeit zur Verfügung stehen können – sich von seiner Frau getrennt habe. Hier stellt die Torah Mosche als bescheidensten Menschen hin, dem sie ein solches Verhalten niemals hätten zuschreiben dürfen. Die Geschwister kannten diese Seite des Charakters von Mosche ohne Zweifel. Mosche würde sich auch selbst nie verteidigen, um sich von einem falschen Verdacht zu „reinigen“ – daher tritt G“tt für ihn ein. Schliesslich will die Torah erläutern, wie es möglich ist, dass die Geschwister ihren Bruder so verkannten: Mosches Bescheidenheit war die Ursache, dass sie von seiner einzigartigen Beziehung zu G“tt keine Ahnung hatten. Vielleicht glaubte Mosche sogar selbst, dass alle anderen Propheten auf derselben Stufe standen, wie er.

 

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