Materialismus, Brutalität und Sex beherrschen die Welt. Wo findet der toratreue Mensch seinen Ort?
Zwei Wege bestehen; der eine: wir schaffen eine toratreue Umgebung, gründen Städte, Städtchen, Dörfer, wenigstens: Blocks. Dieser Weg hat sich überall bewährt, im Heiligen Land wie im Ausland: Bnei Brak, ganze Stadtteile in Jerusalem, Jesodot; Borough Park, Monsey, Lakewood, New Square, Gateshead. Der zweite Weg: gerade in die Welt hineingehen und sich in ihr als echter Torajude bewähren. Denn: Tora ist Wahrheit; „ein Lichtpünktchen Wahrheit verscheucht das große Dunkel der Lüge.“[1] Der Toramensch muss sich in der Welt behaupten können. Vorbedingung dazu: sorgfältige Erziehung, profundes Torawissen und -lernen. Das Ziel: Tora in der Welt verwirklichen, in jeder Position, ohne Kompromisse, und mit achtungsgebietender Festigkeit. Das ist „Tora im Derech Erez“, wie R` Schamschon Refoel Hirsch gelehrt hat. Dieser Weg ist gefährlicher: er weicht Versuchungen nicht aus, sondern steuert in sie hinein.
Beide Wege werden beschritten, bestehen nebeneinander. Sich hermetisch abzuschließen von der Umwelt gelingt nirgends. Auch wer in Toratreuer Umgebung wohnt, ist meistens durch seinen Beruf mit der großen Welt verbunden. Die meisten Toratreuen leben in nicht-jüdischer Umgebung.
Wie verhalten wir uns zur Umgebung?
Awraham hat den Weg gewiesen. „Die ganze Welt ist diesseits, und er — jenseits“[2]. „Awraham der Iwri“ heißt er — der Jenseitige. Ein Strom teilt gleichsam das Land, er allein ist auf einer Seite, ganz allein, alle Anderen — drüben. Und er bleibt unberührt von denen drüben, in Denken, Fühlen und Lebensstil.
Wie wirkt diese Einsamkeit auf Awraham? Wie verhält er sich zu „denen drüben“? Feindlich, verächtlich, stolz, herablassend? „Wer diese drei Dinge besitzt, gehört zu den Schülern Awrahams: ein gütiges Auge, bescheidene Sinne und anspruchslose Gemütsverfassung.“[3]
Mit gütigem Auge blickt er auf die Welt drüben.
Beispiel: Sodom soll vernichtet werden, denn dort sind „böse Menschen, große Sünder vor Haschem“[4] — und Awraham betet für sie, rechtet mit Haschem ihretwegen![5]
In seinem Sinn ist keine Spur Stolz — „seht, ich habe die Wahrheit!“ Im Gegenteil: „Awraham verneigte sich vor dem einfachen Volk.“[6] Er übt Gastfreundschaft mit Allen, ruft zum Glauben, warnt vor Unrecht, bis Alle erkennen: «Du bist ein G-ttesfürst bei uns!“[7]
Wäre er wenigstens bedacht auf Reichtum, um sich für seine Einsamkeit zu entschädigen! Auch das nicht. Er siegt im Kampf, hat Anrecht auf Beute, sie wird ihm als selbstverständlich zuerkannt, aber er: „Ich erhebe meine Hand zum Höchsten G-tt, dass ich von dir nichts annehme — du sollst nicht sagen können: ‘Ich habe Abraham reich gemacht!‘“[8]
Das ist der Weg: Immunität gegen die Einflüsse der Umwelt,
aber Güte, Hilfsbereitschaft und Bescheidenheit im Umgang mit ihr, und das alles durch tiefe Emunah, tiefes Verwurzeltsein in der Welt der Tora— „als Volk bin ich eine Mauer“ [9]— standhaft bis zum Äußersten.
Die Umwelt als Aufgabe:
viele Wege sind möglich. Auch Raw und Erzieher stehen aktiv in der Welt. Freie Berufe, Handel und Beamtentum stehen dem Toramenschen offen. Tora lernen muss Jeder gleicherweise, ob Raw, Kaufmann oder Arzt: jahrelang nur Tora, dann, in Ausbildung und Beruf mehrere Stunden täglich. Jeder an seinem Platz „heiligt G-ttes Namen“, durch Ehrlichkeit, persönliches Vorbild und Leben nach der Halocho. Auch hier: nicht das Verhältnis zur Umwelt ist das Wesentliche, sondern: Ganzheit!
Wie aber erträgt der Toramensch diese Isoliertheit, und dazu die Abkehr vom Zauber der Welt, dem Luxus, der Leichtlebigkeit, den Vergnügungen? Auch das lehrt Awraham. Die oben zitierte Mischna fährt fort: „Die Schüler Awrahams genießen diese Welt und erwerben die Kommende Welt, wie die Bibel sagt: „Die Mich lieben, besitzen Wirkliches, und ihre Speicher fülle Ich.“ Die Vergnügungen der Welt sind größtenteils unwirklich. Die Leinwand im Kino bietet nichts Wirkliches, ist nur Stachel für die eigene Fantasie, so auch die Television — ein Zeitvertreib. Oder sie sind flach und verdorben wie ihr Liebesleben. Und dazu: ein nervöses Jagen nach Geld, Luxus, Publicity.
Tora kämpft gegen das Unwirkliche, denn es ist unwahr.
Tora ist Wahrheit. Sie gibt Wirkliches, auch hier in dieser Welt: wirkliche Lebensfreude, wirkliches, tiefes Genießen. Ja, wir genießen diese Welt, sind „ein Volk, überreich an Genuss“[10], am Schabbat, am Jomtow. Der Toramensch ist fröhlich und zufrieden mit dem, was er hat, hat Freude in seiner Familie. Die Schönheit des jüdischen Ehelebens hat nicht ihresgleichen. Er hat Freude am Lernen, an Mitzwot. Sein Leben ist überglänzt von der Ahnung der Nähe G-ttes. Der Grundton des jüdischen Lebens ist Freude! Wie arm dagegen das Leben der Umwelt! Nein, wir beneiden sie nicht.
- Chowot Halewawot, Schaar Jichud Hamaase Kapitel 5 ↑
- Midrasch Rabba, Bereschit, Parscha 42,13 ↑
- Pirke Awot 5,19 ↑
- Bereschit 13,13 ↑
- Bereschit 18,23-33 ↑
- Bereschit 23,7 & 12 ↑
- Bereschit23,6 ↑
- Bereschit 14,22-23 ↑
- Hoschana Rabba, dritte Hakafa (Umzug mit dem Lulaw) ↑
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Gebet am Freitagabend ↑