Messilat Jescharim – 17 – Über die Methoden, die Reinheit zu erwerben

Datum: | Autor: Rabbi Moshe Chaim Luzatto | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
reinheit

Der große Rabbi Mosche Chaim Luzzatto lebte vor ca. 300 Jahren und ist vor allem über seine Schriften über die jüdische Weltanschauung und Ethik bekannt. Sein Werk Messilat Jescharim («Der Weg der Geraden»), welches den Weg des geistigen Wachstums von einem jüdischen Menschen vorzeigt, wurde von Gaon von Wilna hochgeschätzt und wird auch heutzutage überall auf der Welt studiert.

Fortsetzung

Siebenzehntes Kapitel – Über die Methoden, die Reinheit zu erwerben

Diese Tugend zu erlangen, ist für den leicht, der sich bereits um die bisher besprochenen Tugenden bemüht und sie erworben hat. Wenn er die Minderwertigkeit der irdischen Genüsse und Güter völlig erkannt hat, dann wird er sie verschmähen und sie als Übel betrachten, als Mängel der Natur, die in der trüben und groben Materie ihren Ursprung haben. Und hat er die Überzeugung gewonnen, dass es in der Tat Mängel und Übel sind, dann wird es ihm leicht werden, sich von ihnen fern zu halten und sie aus seinem Herzen zu reißen. Je häufiger daher und je tiefer er den Gedanken der Minderwertigkeit aller materiellen Genüsse erfasst, um so leichter wird es ihm werden, sich in den innersten Regungen seines Herzens die Reinheit zu wahren, dass er in keiner einzigen Handlung etwas dem Jezerhora einräume. Er wird vielmehr zu all seinen materiellen Handlungen gewissermaßen gezwungen werden müssen.

Wie wir nun oben bei der „Reinheit der Herzensregungen“ unterschieden haben zwischen den körperlichen Handlungen, für die sie in Betracht kommt und den Handlungen, die im Dienste G-ttes vollführt werden, so ist auch hier, wo es sich um die geistige Arbeit handelt, die nötig ist, um die Reinheit des Herzens zu erwerben, zu unterscheiden:

Bei den körperlichen Handlungen ist das beste Mittel, die Reinheit der Herzensregungen zu erlangen: sich ständig die Minderwertigkeit der irdischen Genüsse vor Augen halten.

Bei den Handlungen, die im Dienste G-ttes vollführt werden, wird dieser Zweck erreicht, wenn man sich zum Bewusstsein bringt, dass alle Ehren eitel sind, und es sich zur Gewohnheit macht, dergleichen zu meiden. Dann wird man in den Stunden, in denen man sich dem Dienste G-ttes weiht, nicht an das Lob und die Anerkennung denken, die die Handlung seitens der Mitmenschen einträgt, die inneren Regungen werden allein dem rechten Herrn gewidmet sein, der ganz allein unser Ruhm ist, unser ganzes Glück und unsere Vollendung. So heißt es: „Er ist dein Ruhm und Er ist dein G-tt (Dewarim 10,21)!“

Förderlich für die Erwerbung der Tugend ist unter Anderem besonders ein Moment. Man bereite sich stets für den G-ttesdienst, für die Ausübung der Mitzwot vor! D. h. man trete nicht urplötzlich an die Erfüllung einer Mizwa heran, ohne sich zu sammeln, bevor man hat überlegen können, was man eigentlich tun will. Man bereite sich vielmehr vor, trete gesetzten Sinnes, mit Überlegung an die Sache heran. Dann wird man bedenken, welche Handlung man und vor wem man sie auszuüben gedenkt. Und tritt man mit solchen Gedanken heran, dann wird es Einem leicht, alle Äußerlichkeiten, alle Nebenabsichten abzuwerfen und das Herz zu der reinen, G-tt wohlgefälligen Absicht zu bestimmen.

Die alten Frommen warteten bekanntlich eine Stunde vor dem Gebet, um ihr Herz zur Andacht vor G-tt zu stimmen (Brachot 30b).

Sie haben zweifellos diese Stunde nicht mit Nichtstun verbracht. Sie haben vielmehr die andächtige Stimmung vorbereitet, die ihnen für das später folgende Gebet nötig erschien, sich alle ungehörigen Gedanken aus dem Kopfe geschlagen, sich mit den erforderlichen Gefühlen der Ehrfurcht und Liebe erfüllt. Wie es in Ijow heißt: „Wolltest du dein Herz vorbereiten und dann zu Ihm deine Hände ausstrecken (Ijow 11,13).“

Wer aber zu wenig über die erwähnten Dinge nachdenkt und daher kein rechtes Verständnis für die Minderwertigkeit der irdischen Genüsse hat, auf Ehre erpicht ist, sich nicht genügend für den Dienst G-ttes vorbereitet, der wird nicht zu dieser Tugend gelangen können. Die beiden ersten Momente betören die Regungen des Herzens und verführen sie zu Nebenabsichten. Es ist so wie bei einer Frau, die ihrem Gatten die Treue bricht und sich Fremden hingibt. Darum werden auch die nach dem Äußerlichen gerichteten Regungen Buhlerei des Herzens genannt, in dem Schriftwort: „dass ihr nicht nach dem umherspäht, was euer Herz und Auge begehrt, denen ihr sonst buhlerisch folgt (Bamidbar 15,39)“; weil das Herz sich dabei von dem vollkommenen Ziele, an das es sich gebunden fühlen sollte, abwendet zu eitlen trügerischen Vorstellungen. – Die ungenügende Vorbereitung aber führt dazu, dass all das törichte Zeug, das in der Natur des Menschen durch die Materie gegeben ist, nicht verscheucht wird und nun dem Dienste G-ttes ein übler Geruch anhaftet.

Fortsetzung folgt ijH.

übersetzt von Dr. J. Wohlgemuth (1906)

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