Verarbeitet und übersetzt von Rabbiner Dr. S. Bamberger SZL
Rabbi Jitzchak Abuaw SZL war einer der Rischonim von Chachmei Sfarad, der am Anfang des 14. Jahrhunderts der allg. Zeitrechnung lebte. Wir publizieren ausgewählte Auszüge aus seinem berühmten Werk “Menorat Hamaor” – “Der lichtspendende Leuchter.”
Der erste der Segenssprüche am Morgen ist über das Waschen der Hände, weil wir mit unreinen Händen nicht beten dürfen; auch ist verboten, den Mund, die Nase, die Augen und Ohren zu berühren, ehe man sich gewaschen hat.[1]
R’ Serika im Namen von R’ Elasar, wer das Waschen der Hände gering schätzt, hat keinen Anteil an der zukünftigen Welt.
R’ Abahu, wer Brot genießt, ohne sich die Hände abzutrocknen, der genießt unreine Speise, wie Jecheskel[2] spricht, so essen die Kinder Jisrael ihr Brot in Unreinheit unter den Völkern, zu denen Ich sie verstoße.[3]
R’ Chisda sagt, ich wasche mich mit vollen Händen Wassers, und man gibt mir vom Himmel volle Hände Segens.[4]
Als R’ Akiwa im Gefängnis war, bediente ihn Joschua hagarsi und brachte ihm jeden Tag ein bestimmtes Maß Wasser.
Einmal hielt ihn der Aufseher an und sagte zu ihm, du hast heute zu viel Wasser, du willst wohl damit ausprobieren, wo die Wände des Gefängnisses eine Lücke haben. Und er goß ihm die Hälfte aus. Als er mit dem wenigen Wasser zu R’ Akiwa kam, sagte sein Lehrer zu ihm, Joschua, du weißt, ich bin ein Greis, und mein Leben ist von dir abhängig! Da erzählte er ihm die Begebenheit. R’ Akiwa sagte, gib mir das Wasser zum Händewaschen. Joschua erwiderte ihm, es reicht nicht zum Trinken, und du willst dir damit die Hände waschen!
Doch R’ Akiwa sprach, wer dies versäumt, ist todesschuldig; lieber will ich sterben, als die Worte meiner Gefährten übertreten. So aß er nicht, bis er die Hände gewaschen. Als die Weisen dies hörten, sagten sie, in seinem Alter war er so pflichttreu, wie erst in seiner Jugend; so im Gefängnis, wie erst in seinem Hause.
R’ Juda im Namen von Schmuel, als der König Schlomo Eruwin für die Bewohner der Höfe und das Waschen der Hände einrichtete, da ward eine himmlische Stimme gehört, die zu ihm sprach,[5] Mein Sohn, wenn dein Herz weise ist, freut sich auch Mein Herz. Sobald man Brot oder eine Speise, die, in Flüssigkeit eingetaucht wird, essen will, muß man sich erst die Hände waschen.
Wir sind verpflichtet, dem Heiligen, gel. sei Er, jederzeit für all die Wohltaten zu danken, die Er uns in Seiner Gnade in jedem Augenblick erweist.
Darum haben unsere Weisen s. A. Segenssprüche bestimmt, die wir morgens und abends aussprechen; so heißt es in Brachot[6], wer sich auf sein Lager zur Ruhe begeben will, der lese den ersten Abschnitt von Sch‘ma und spreche, gelobt seist Du, Ewiger, der Du des Schlafes Bande auf meine Augen herabsenkst und den Schlummer auf meine Wimpern. Dein Wille sei es, Ewiger, mein G-tt, laß mich in Frieden mich niederlegen und in Frieden wieder aufstehen, daß meine Gedanken mich nicht erschrecken oder böse Träume und Sorgen, möge mein Lager makellos vor Dir sein, und erleuchte meine Augen, daß ich nicht dem Todesschlaf verfalle; gelobt seist Du, Ewiger, der Du die ganze Welt mit Deiner Herrlichkeit erleuchtest.
Wenn man morgens erwacht, spricht man, mein G-tt, die Seele, die Du mir in Reinheit gegeben, Du hast sie erschaffen…
Wenn man den Hahn krähen hört, gelobt seist Du, Ewiger…, der Du dem Hahne Einsicht gegeben, zwischen Tag und Nacht zu unterscheiden.
Wenn man sich ankleidet… gelobt seist Du, Ewiger… der Du die Nackten bekleidest…
Da man aber vor dem Händewaschen heilige Worte nicht aussprechen darf, hat man alle diese Segenssprüche mit dem Morgengebete vereinigt. Außerdem sind Berachot für Zizit und Tefillin angeordnet und die übrigen Gebote, die man während des Tages erfüllt, so daß man täglich nicht weniger als hundert Segenssprüche hat. Darum sagt R’ Meir, der Mensch ist verpflichtet, jeden Tag hundert Brachot auszusprechen, denn so heißt es[7], und nun, Jisrael, מה was verlangt der Ewige, Dein G-tt, von Dir, statt מה lies מאה hundert Segenssprüche als Ausdruck Deiner Ehrfurcht und Dankbarkeit.
An Schabbatot und Feiertagen ergänzt man die Segenssprüche, die das Gebet weniger enthält als an Wochentagen, durch die Brachot über den Genuss von Früchten und wohlriechende Gewürze.
Nach dem Verrichten der natürlichen Bedürfnisse versäume man nicht die Bracha zu sprechen, … der Du den Menschen mit Weisheit-gebildet….
Für den Beginn einer Reise gibt es einen entsprechenden Segensspruch. Vor dem Eintritt in eine Stadt flehe man um den Beistand des Ewigen, und nach dem Verlassen derselben danke man für den Schutz, den man genossen hat.
Ebenso bitte man beim Eintritt ins Lehrhaus um Erleuchtung und Bewahrung vor Irrtümern und danke beim Weggehen für die Gnade, Anteil an der Tora zu haben.
Wenn der Regen zur rechten Zeit fällt, spreche man das vorgeschriebene Dankgebet.
Vier danken für ihre Errettung, die Seefahrer, die Wüstenwanderer, wer von einer Krankheit genesen und wer aus dem Gefängnis befreit wurde.
Wer einen Kranken besucht, nachdem die Gefahr vorüber, spreche, gelobt sei der Allgütige, der dich uns wiedergegeben und dich nicht dem Staube preisgab.
Für das Schmerzliche müssen wir ebenso dankbar sein wie für das Angenehme und den Segensspruch darüber mit Freude aussprechen.
Wenn wir einen Ort erblicken, an dem unseren Ahnen Wunder geschehen sind oder unserem Vater, Lehrer oder uns selbst, danken wir dem Heiligen, gel. sei Er.
Wenn sich der Neumond am Himmel zeigt oder andere Erscheinungen, so find bestimmte Segenssprüche dafür vorgeschrieben, in denen wir G-ttes Allmacht preisen.
Beim Anblick der Zerstörung Bawels und andererseits von Versammlungen Jisraels, seiner Könige, seiner wiedererstandenen Niederlassungen sind Brachot zu sprechen.
Wenn man jüdische Gräber, außergewöhnliche Geschöpfe wie einen Mohren oder einen Elephanten, Affen u. dergl. sieht, versäume man nicht die dafür angeordnete Bracha.
Wer in den Tagen des Nissan blühende Bäume erblickt, spreche, gelobt … der Du in Deiner Welt nichts hast fehlen lassen und in ihr gute Geschöpfe und gute Bäume erschaffen hast, die Menschen mit ihnen zu erfreuen. Jede Erscheinung des Lebens lenke unseren Blick nach oben zum Herrn des Alls und erfülle unser Herz mit Ehrfurcht und Dankbarkeit vor dem Spender alles Segens.
[8]Der Mensch darf nichts von dieser Welt genießen, ohne vorher dem Ewigen dafür zu danken; wer ohne Segensspruch genießt, hat eine Untreue am Heiligtum begangen.
Wie kann er dem vorbeugen, sagt Raba, er gehe zu einem Toralehrer und lerne die vorgeschriebenen Brachot, um nicht zu einer Veruntreuung zu kommen.
R’ Levi fragte, einmal heißt es[9], dem Ewigen gehört die Erde, und was sie füllt, und einmal[10], der Himmel, dem Ewigen gehört der Himmel, und die Erde gab er den Menschen. Der erste Vers spricht vor der Bracha, aber durch diese erwerben wir selbst die Erde.[11]
R’ Chanina b. Papa sagt, wer ohne Bracha von dieser Welt genießt, bestiehlt gleichsam den Heiligen, gel. sei Er, und die Gemeinde Jisraels,
so heißt es[12], wer seinen Vater und seine Mutter bestiehlt und spricht, das ist keine Missetat, der ist« ein Gefährte des Zerstörers. Unser Vater ist der Heilige, gel. sei Er[13], fürwahr, Er ist dein Vater, der dich geschaffen, Er hat dich gebildet und wohl gegründet. Und unsere Mutter ist die Gemeinde Jisraels, wie in den Sprüchen[14] steht, verlasse nicht die Lehre deiner Mutter. Was bedeutet, er ist ein Gefährte des Zerstörers, ein Gefährte von Jerowam b. Newat, der Jisrael vor unserem Vater im Himmel zerstören wollte. Nach dem Genuss sind wir ebenfalls verpflichtet durch Segenssprüche zu danken.[15]
Wo hat das Tischgebet in der Tora seine Begründung, so heißt es,[16] wenn du gegessen und satt geworden, sollst du den Ewigen, deinen G-tt, loben. Rabbi sagt, wenn du gegessen hast und satt geworden bist, sollst du loben, bezieht sich auf den ersten Segensspruch, Er ernährt das All; die Aufforderung zum gemeinsamen Tischgebet ist in dem Passuk[17], rühmt den Ewigen mit mir, enthalten. Die Worte ,,für das Land“ schreiben die zweite eracha vor, in der wir für das herrliche Land danken; „das gute“ ist Jeruschalajim, wie Mosche flehte, ich mochte diesen guten Berg sehen und den Lebanon[18].
Den vierten Segensspruch „Er ist der Allgütige“, haben unsere Weisen s. A. in Jawne angeordnet.
Daß man vor dem Essen dem Allgütigen für die gewährte Speise danken muß, ergibt sich daraus von selbst; wenn der Satte die Pflicht der Bracha einsieht, so hat der Hungrige dafür noch mehr Verständnis… R’ Natan beweist dies aus folgender Stelle. Als sich Schaul und sein Diener nach dem Aufenthalte Schmuels erkundigten, sagten die Frauen zu ihnen,[19] wenn ihr in die Stadt kommt, werdet ihr ihn am besten finden, bevor er zur Opferhöhe hinausgeht, zu essen, denn das Volk ißt nicht, bevor er kommt, weil er den Segen über das Mahl spricht, erst dann essen die Geladenen; und nun, geht hinauf, denn an einem Tage wie heute werdet ihr ihn finden.
Der Talmud fragt, warum sprachen die Frauen so viel, Raw antwortet, weil Frauen gern viel reden, Schmuel, sie wollten die Schönheit Schauls betrachten, von dem die Schrift rühmt,[20] von seiner Schulter aufwärts überragte er das ganze Volk; R’ Jochanan, weil die Herrschaft des einen die des anderen auch nicht um eine Haaresbreite verkürzen soll; Schauls Salbung zum König ward dadurch verzögert, weil Schmuels Regierung noch nicht vollendet war. Woher weiß ich, daß man auch über das Studium der Tora Brachot ausspricht? R’ Jischmael antwortet, das ist selbstverständlich; wenn für die irdischen Genüsse Segenssprüche vorgeschrieben sind, um so mehr müssen wir für die Tora dem Ewigen danken, die uns zum ewigen Leben führt.[21]
Fortsetzung folgt ijH
- Sota 4b ↑
- 4,13 ↑
- Schabbat 62b ↑
- Eruwin 21b ↑
- Mischle 23,15 ↑
- 60b ↑
- Dewarim 10,12 ↑
- Brachot 35a ↑
- Tehillim 24,1 ↑
- Tehillim 115,16 ↑
- Sanhedrin 102a ↑
- Mischle 28,24 ↑
- Dewarim 32,6 ↑
- 1,8 ↑
- Brachot 48b ↑
- Dewarim 8,10 ↑
- Tehillim 34,4 ↑
- Dewarim 3,25 ↑
- Schmuel 1 9,13 ↑
- Schmuel 1 9,2 ↑
-
Brachot 43b ↑