Verarbeitet und übersetzt von Rabbiner Dr. S. Bamberger SZL
Rabbi Jitzchak Abuaw SZL war einer der Rischonim von Chachmei Sfarad, der am Anfang des 14. Jahrhunderts der allg. Zeitrechnung lebte. Wir publizieren ausgewählte Auszüge aus seinem berühmten Werk “Menorat Hamaor” – “Der lichtspendende Leuchter.”
Der Mensch betrachte sich stets als mittelmäßig in seinen Werken, sodass er durch eine fromme Handlung die Wagschale der Verdienste zum Sinken bringen kann und durch eine Sünde diejenige der Schuld. Durch diesen Gedanken wird er eifrig jede sich darbietende Pflicht erfüllen und jede Verfehlung vermeiden. Ebenso denke er über die Welt als Ganzes; durch die Beobachtung eines Gebotes wendet er die Beurteilung der ganzen Menschheit zum Guten, wie er durch eine Pflichtversäumnis das Gegenteil bewirken kann.[1]
Das heiligste Werk aber ist die Rückkehr zum Ewigen, sie führt den Menschen, sagen unsere Weisen, unter die bergenden Fittiche der G-ttlichen Liebe, und sie zerreißt das bereits besiegelte Verhängnis.[2] So sagt R. Jochanan auf Grund des Verses[3], verfettet sei das Herz dieses Volkes, seine Ohren schwer und seine Augen verklebt, dass es nicht mit seinen Augen sehe, mit seinen Ohren höre und sein Herz begreife und zurückkehre und Genesung finde.
R. Papa fragte Abai, vielleicht nützt die Rückkehr nur, solange das Urteil noch nicht gefällt ist;
doch Abai antwortete, aus dem Ausdruck Genesung kann man entnehmen, dass es sich um das beschlossene Verhängnis handelt, das durch die Rückkehr immer noch abgewandt werden kann.
In Seinem Erbarmen über Seine Geschöpfe nimmt der Allgütige um der Rückkehr willen Seinen Beschluß wieder zurück und läßt die Strafe nicht eintreten; was Er aber an Gutem verheißen, das bleibt niemals aus; so sagen unsere Weisen s. A., jedes Wort des Heiligen, gel. sei Er, zu Guten ausgesprochen, wenn auch nur bedingt, das bleibt niemals aus… Darauf weist auch der Prophet Jirmijahu in seinem Streit mit dem falschen Propheten Chananja ben Assur hin[4]; der Prophet Jirmijahu sprach, so sei es, möge der Ewige so tun, möge der Ewige deine Worte in Erfüllung bringen, die du geweissagt hast, die Geräte des Hauses des Ewigen und alle Verbannten von Bawel hierher zurückzubringen.
Obschon Jirmijahu Unglück und Tod prophezeit hatte, den Sieg Newuchadnezars über ganz Juda und die Zerstörung des Tempels, während Chananja von allem das Gegenteil behauptete, so hielt Jirmijahu doch nicht für unmöglich, dass die Verheißung des Unglücks nicht in Erfüllung gehen und dass der Allgütige sich erbarmen würde, sobald Jisrael reuig zu Ihm zurückkehrte. Wenn aber Chananjas Verheißungen ausblieben, dann war erwiesen, dass er ein Lügenprophet So heißt es dort weiter, nur höre dies Wort, das ich vor deinen Ohren und den Ohren des ganzen Volkes spreche; die Propheten, die vor mir und vor dir waren seit Ewigkeit, haben über viele Länder und große Reiche Krieg, Unglück und Pest vorausgesagt.
Wenn aber ein Prophet Frieden verkündete, — nur wenn das Wort des Propheten in Erfüllung ging, wurde der Prophet erkannt, dass der Ewige ihn in Wahrheit geschickt hatte.
— Wenn also die Verheißung des Unglücks ausblieb, so war dies kein Beweis, dass der Prophet nicht die Wahrheit gesagt hatte; denn durch Reue und Rückkehr konnte das Verhängnis abgewandt worden sein. Wenn er aber Frieden und Gutes verkündet hat, so müssen sie eintreffen, wenn er in Wirklichkeit das Wort des Ewigen empfangen hatte.
Die Weisheit des Menschen vermag den Körper vor dem drohenden Unheil zu schützen.[5] Rami b. Aba erklärte den Passuk[6], eine kleine Stadt und wenige Einwohner in ihr, da zieht ein großer König gegen sie, umzingelt sie und baut große Bollwerke gegen sie. Es findet sich in ihr ein armer weiser Mann, und er rettet die Stadt durch seine Weisheit; keiner hatte jenes armen Mannes gedacht. Die kleine Stadt ist der Körper des Menschen, die wenigen Einwohner sind die Glieder, der große König, der sie belagert, ist der böse Trieb, die mächtigen Bollwerke sind die Sünden, der arme, weise Mann ist der gute Trieb, er rettet die Stadt durch seine Weisheit, durch Rückkehr und gute·Werke. Keiner hatte, solange der böse Trieb regierte, des guten gedacht…
R. Juda im Namen von Raw, in der Stunde, da Schlomo die heilige Lade ins Allerheiligste bringen wollte, blieben die Tore fest verschlossen,
und er sprach vierundzwanzig Lobsprüche aus, ohne erhört zu werden,[7] erhebet, Tore, eure Häupter, erhebet euch, Pforten der Ewigkeit, dass der König der Ehre einziehe. Wer ist der König der Ehre; der Ewige, mächtig und stark, der Ewige, stark im Krieg. Erhebet, Tore, eure Häupter, erhebet, Pforten der Ewigkeit, dass der König der Ehre einziehe. Wer ist denn der König der Ehre; der Ewige der Heerscharen, Er ist der König der Ehre, Selah! Aber sie blieben verschlossen. Erst als er sprach,[8] Ewiger, G-tt, weise nicht ab das Angesicht Deines Gesalbten, gedenke der Frömmigkeit Deines Knechtes David, da taten sich die Tore auf. In jenem Augenblick wurden die Gesichter der Feinde Davids schwarz wie der Boden eines Kochtopfes, und ganz Jisrael erkannte, dass der Ewige David verziehen hatte.[9]
R. Schmuel b. Nachmeni im Namen von R. Jonatan, groß ist die Rückkehr, sie verlängert die Tage und Jahre des Menschen,[10]
wenn der Frevler umkehrt von allen seinen Sünden, die er begangen, alle Meine Satzungen hütet und Recht und Gerechtigkeit übt, so soll er leben und nicht sterben.
Wie der Heilige, gel. Sei Er, die Rückkehr des Einzelnen annimmt und sein Verhängnis zerreißt, so erbarmt Er sich auch über die ganze Gemeinde, die reuig Ihn aufsucht; wie wir aus der Geschichte Ninves ersehen. Ferner sagen unsere Weisen s. A., durch die Frömmigkeit des Einzelnen wird der Gesamtheit verziehen.[11]
Mar Sutra im Namen von Raw, groß ist die Rückkehr, wenn sie der Einzelne übt, verzeiht man ihm und der ganzen Welt,[12] Ich heile ihren Abfall, will ihnen huldvoll Liebe erweisen, weil Mein Zorn von ihm, also einem Einzelnen, gewichen; und sie bringt der Welt Genesung,[13] kehret um, abtrünnige Kinder, spricht der Ewige, denn Ich bin euer Herr und nehme euch, um eines aus einer Stadt und zweier aus einer Familie willen, und bringe euch nach Zion.
Wenn auch die Versündigung einer ganzen Gemeinde eine sehr schwere Schuld ist, so darf das Volk darum doch nicht verzagen und die Rückkehr für zwecklos halten.
Das lehrt die Begebenheit mit dem goldenen Kalb, wenn dort die Langmut des Höchsten waltete, so ist dies bei jeder Sünde zu erhoffen.[14]
R. Joschua b. Levi, die Kinder Jisrael machten das goldene Kalb nur, um den Rückkehrenden aller Zeiten eine Entschuldigung auf die Lippen zu legen, wie die Schrift lehrt,[15] möchte doch diese ihre Gesinnung ihnen bleiben, alle Tage Mich zu fürchten und alle Meine Gebote zu hüten, dass es ihnen und ihren Kindern in Einigkeit gut gehe.
Ebenso sagte R. Jochanan, weder David noch Jisrael verdienten zu sündigen, denn von David heißt es[16],
ich bin arm und bedürftig, und mein Herz ist hohl (frei vom bösen Trieb) in meinem Innern; und von Jisrael steht,[17] möchte doch diese ihre Gesinnung ihnen bleiben. Wieso kam aber die Sünde? Damit der Einzelne von David und die Gemeinde von ganz Jisrael lerne, zum Ewigen zurückzukehren.
Nicht nur dem Einzelnen, dessen Vergehen nicht öffentlich ist, wird verziehen, sondern auch der Gemeinde, deren Sünde nicht verborgen bleiben kann; und nicht nur die Gemeinde, die aus vielen Menschenleben besteht, wird erhalten, sondern auch jeder Einzelne darf aus die Gnade des Allgütigen hoffen. Wenn es auch heißt,[18] am Tage, da Ich ahnde, werde Ich an ihnen ihre Sünden ahnden; nur wenn sie wieder sündigten, sollte auch für das goldene Kalb mitgesühnt werden, aber die Schuld selbst hatte der Heilige, gel. sei Er, ihnen verziehen.[19] [20]
Vergißt wohl eine Frau ihres Säuglings,
werde Ich der vielen Emporopfer und erstgeborenen Rinder und Lämmer vergessen, die Jisrael während der vierzig Jahre in der Wüste vor Mir dargebracht hat! Die Gemeinde Jisraels spricht, wenn es kein Vergessen vor Dir gibt, wirst Du mir vielleicht auch der Sünde des Kalbes stets eingedenk sein? Der Ewige erwidert ihr, dieser soll nicht mehr gedacht werden. Da fragt die Gemeinde Jisraels, wenn es ein Vergessen gibt vor dem Throne Deiner Herrlichkeit, wirst Du mir meiner Bereitwilligkeit am Berge Sinai vergessen? Diese soll dir unvergessen bleiben, verheißt der Allgütige.[21]
R. Jonatan, groß ist die Rückkehr, sie beschleunigt die Erlösung, so heißt es[22] (Jes. 59, 20), für Zion kommt ein Erlöser, und für die von der Missetat ablassen in Jaakow, spricht der Ewige.
- Kidduschin 40b ↑
- Rosch Haschana 17b ↑
- Jeschaja 6,10 ↑
- 28,6 ↑
- Nedarim 32b ↑
- Kohelet 9,14 ↑
- Tehillim 24,7 ↑
- Diwrej Hajamim 6,42 ↑
- Joma 86b ↑
- Jechezkel 18,21 ↑
- Joma 86b ↑
- Hoschea 14,5 ↑
- Jirmijahu 3,14 ↑
- Awoda Zara 4b ↑
- Dewarim 5,26 ↑
- Tehillim 109,22 ↑
- Dewarim 5,26 ↑
- Schemot 32,34 ↑
- Brachot 32b ↑
- Jeschaja 49,15 ↑
- Joma 86b ↑
-
Jeschaja 59,20 ↑