Siebzig Jahre Galut Bawel – 6 – In der Löwengrube

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
löwengrube

Wir setzen fort – auch nach Purim – die Publikation der spannenden Serie «Siebzig Jahre Galut Bawel».

6. Kapitel (3389) – In der Löwengrube

So regierte Dorjowesch, der 62-jährige König von Medien auch über Bowel (3389). Er ernannte 120 Aufseher und über sie drei Fürsten. Die Aufseher sollten sein Königreich bewachen und die Fürsten des Königs beraten, damit sie im Königreich für Ruhe und Ordnung sorgen. Einer der Fürsten war Danijel, der mit seiner Weisheit alle Aufseher und Fürsten überragte. Deshalb wollte der König Danijel zum Höchsten aller Fürsten ernennen. Die anderen Fürsten und Aufseher beneideten ihn daher und wollten dies nicht zulassen. Man konnte aber nichts Böses von Danijel behaupten. So kamen sie auf den Gedanken, Danijel durch seine Religion, seine in ihm verwurzelte Jüdischkeit, von seinem hohen Posten zu vertreiben.

Sie versammelten sich vor dem König und behaupteten: Du bist für viele von uns ein neuer König. Es ist die Art eines neugewählten Königs, neue Gesetze zu bestimmen. Daher solltest auch du ein neues Gesetz erlassen, und zwar eines, das dich in deinem neuen Amt stärkt. Wir raten dir, folgendes Gesetz zu erlassen: Während der nächsten 30 Tage dürfen alle deine Untertanen nur von dir, o König, etwas verlangen. Dass der König in den ersten 30 Tagen seiner Regierungszeit die Bitte jedes einzelnen anhört und erfüllt, soll dem Volk die Gnade und Liebe des Königs zeigen. Wer in dieser Zeit jemand anderem eine Bitte vorträgt, beweist damit, dass er nicht anerkennt, dass der König alle seine Bitten erfüllen kann. Derjenige, der etwas von irgend einem Götzen oder Menschen verlangt, soll in die Löwengrube geworfen werden!“ Dorjowesch sah ein, dass dieses Gesetz zu seinem Nutzen gemeint war und bestätigte es mit seinem Siegel. Er verstand jedoch nicht, dass man mit diesem Gesetz Böses gegen den Zadik Danijel beabsichtigte.

Danijel wusste, dass dieses Gesetz sich gegen ihn richtete, und dawente trotzdem zu Hkb“H in seinem Haus. Er hatte ein höher gelegenes Zimmer mit Fenstern, die in die Richtung von Jeruscholajim zeigten. Dort verneigte er sich vor Hkb“H dreimal am Tag und bat um Hilfe für den Klall Jisrael. Danijel tat dies, obwohl er sein Leben in Gefahr brachte, weil er seine bisherige Awodat Haschem (G-ttesdienst) nicht unterbrechen wollte. Er tat dies nämlich schon viele Jahre, noch bevor er nach Bowel verschleppt worden war. Trotzdem wäre er nicht verpflichtet gewesen, sein Leben wegen der Tefilla zu opfern.

Die Fürsten und Aufseher, die von Danijels täglicher Tefilla wussten, begaben sich zu seinem Haus und fragten ein Mädchen, was Danijel jetzt mache. Es antwortete darauf: „Er bückt sich jetzt vor seinem G-tt und dawent zu ihm“. Sofort begaben sie sich in sein Zimmer und fanden ihn mitten im Gebet. Doch Danijel erschrak nicht und beendete ruhig und gelassen seine Tefilla. Danach stürzten sie sich auf ihn und brachten ihn vor den König.

Sie traten vor Dorjowesch und begannen mit ihrer Anklage gegen Danijel: O König! Hattest du nicht ein neues Gesetz erlassen, nach dem es 30 Tage lang verboten ist, von jemand anderem außer dem König etwas zu erbeten?“ „Richtig“, antwortete der König, „das Gesetz wurde unter die Gesetze von Medien und Persien eingeschrieben und kann nie mehr aufgehoben werden!“ Da sagten die Ankläger: „So wisse, o König, dass Danijel sich nicht an dieses Gesetz hält. Er betet jeden Tag zu seinem G-tt und dies gleich dreimal am Tag!“

Als der König dies vernahm, verstand er die Bosheit der Fürsten und Aufseher, die seinen geliebten Danijel töten wollten. Er versuchte daher, den Danijel mit Geld und allen möglichen Ausreden zu retten. Als dies nichts nützte, behauptete er: „Ich glaube euch nicht!“ Aber als die Sonne unterzugehen drohte und die Mincho-Zeit anlangte, begann Danijel vor den Augen des Königs, der Fürsten und Aufseher seine Tefilla zu Hkb“H. Jetzt hatte der König keine Ausrede mehr und musste ihre Klage annehmen. Er konnte Danijel nicht mehr aus ihren Händen retten. (Warum Danijel diese Strafe erhielt, siehe im 4. Kapitel.)

Der König besaß eine riesige Löwengrube, in der sich 1464 Löwen befanden. Die Feinde Danijels, die schon den ganzen Tag auf seinen Tod hofften, ließen die Löwen seit dem Morgen hungern, damit sie sich alle auf ihn stürzen.

Am Abend gab der König schließlich den Befehl, Danijel in die Löwengrube zu werfen, doch hoffte er auf die Rettung von Danijel durch Hkb“H und sagte zu Danijel vor den Fürsten: „Der G-tt, dem du die ganze Zeit dienst, Er wird dich retten!“ Aber zu seinen Fürsten und Aufsehern rief er voller Zorn: „Wenn Danijel die Löwengrube überlebt, so lasse ich euch alle an seiner Stelle in die Grube werfen!“

Jetzt zitterten Danijels Feinde um ihr eigenes Leben und wollten sicher sein, dass Danijel nicht lebendig aus der Grube kam, wie es mit Chananjo, Mischoel und Asarjo geschehen war. Deshalb ließ der König einen riesigen Stein auf die Öffnung der Grube legen und ihn zweimal versiegeln, mit seinem Siegel und dem der Fürsten. So konnte er sicher sein, dass die Fürsten Danijel nicht durch Steine oder Pfeile töten konnten. Auch sollte damit bewiesen werden, dass man den Löwen kein Fleisch hineingeworfen hatte und sie daher satt waren. (Da es in Bowel keine Steine gab, brachten Malochim diesen Stein von Erez Jisrael dorthin).

Danijel wurde in die Grube hinuntergelassen und begann Hkb“H um „Erbarmen“ zu bitten. „Hilf mir, du Löwe!“ rief Danijel zu Hkb“H, der „Löwe“ genannt wird. Hkb“H antwortete: „So komme der Löwe und rette den Löwen aus den Klauen des Löwen!“ (Danijel wird Löwe genannt, weil er vom Schewet Jehuda stammt!). Sofort erschien ein Maloch in der Gestalt eines Löwen. Die Meute hungriger Löwen, die sich eben noch mit Gebrüll auf Danijel stürzen wollten, blieben wie erstarrt stehen. Voller Furcht zogen sie sich zurück und schlossen ihr Maul. Der Maloch in der Gestalt eines Löwen, wie auch Danijel, der ihnen plötzlich wie ein Löwe erschien, flößte ihnen große Furcht ein.

Diese Nacht war die Nacht von Pessach und Danijel verbrachte die ‏שימורים‎ ליל (Nacht des Schutzes) in der Löwengrube, voller Vertrauen in Hkb“H.

Es geschah ein weiteres Wunder und der Maloch brachte den Nowi Chabakuk herein, der Essen und Trinken für die Seder-Nacht mitbrachte. So saßen sie beide in der Grube, umringt von über tausend hungrigen Löwen, aßen und tranken und lobten‏ Hkb“H.

Während Danijel in der Löwengrube gefangen saß, begab sich der König traurig und voller Sorge um Danijel in seine Gemächer. Jeden Abend ließ er sich ein königliches Mahl auftragen, aber an diesem Abend wollte er von nichts wissen und legte sich fastend schlafen. Doch er fand keinen Schlaf und musste die ganze Nacht hindurch an Danijel denken. Hatte ihn tatsächlich sein G-tt gerettet? „Weshalb geschieht es mir, dass dieser Mann durch mich getötet wird“, dachte er ganz verzweifelt.

Gleich als es Tag wurde, begab sich Dorjowesch zur Löwengrube und rief mit trauriger Stimme: „Danijel!“ Aber keine Antwort kam zurück. Danijel, der die traurige Stimme des Königs nicht erkannte, wollte nicht antworten. Chasal sagen, dass er eben mitte im Keriat Schema vom Morgen war und daher nicht antworten konnte. Der König, der nicht glauben wollte, dass Danijel etwas geschehen war, rief noch einmal: „Danijel, Knecht des lebendigen G-ttes, Der G-tt, dem du ständig dienst, konnte Er dich von den Löwen retten?“ Da antwortete Danijel: „Der König lebe ewig! Mein G-tt rettete mich wegen einem ’Sechut’, den ich hatte. Er schickte seinen Engel, der die Mäuler der Löwen verschloss, dass sie mir nicht schaden. Auch gegen dich, o König habe ich nicht gesündigt, denn auch du bist verpflichtet, G-tt zu ehren!“ Danach ließ Dorjowesch den Danijel aus der Grube hinaufbringen und überzeugte sich, dass er unverwundet war und nicht einmal einen Kratzer bekommen hatte. Die Fürsten aber behaupteten, dass die Löwen satt waren und deshalb den Danijel nicht fraßen! „Wenn es so ist“, meinte der König, „so steigt selbst in die Grube hinunter. Wir werden dann schon sehen, ob die Löwen satt sind!“

Sofort ließ Dorjowesch alle Feinde von Danijel mit ihren Frauen und Kindern in die Löwengrube werfen. Noch bevor sie zum Boden der Grube gelangten, wurden sie in der Luft von den Löwen zerrissen und gefressen. (Es waren alle 120 Aufseher mit zwei der drei Fürsten (Danijel war der dritte), samt ihren Frauen und ebensovielen Kindern, Für jede dieser 366 Personen (drei mal 122) gab es 4 Löwen (vier mal 366 = 1464).

Nach dieser Geschichte schrieb der König einen Brief an alle Untertanen in seinem ganzem Reich, in dem es hieß: „Ich befehle, dass sich jeder vor dem G-tt von Danijel fürchte. Denn Dieser ist ein lebendiger und immerwährender G-tt. Er verrichtet Wunder, beherrscht Himmel und Erde und rettete Danijel aus den ‏Klauen der Löwen!“

Danijel selbst konnte seine Stellung beim König wieder ‏in Ruhe ‎‎einnehmen und erfüllte dessen Erwartungen in bester Weise.

Später bat Danijel den König, ihn von seiner Stelle zu entlassen, damit er sich in Schuschan zur Ruhe setzen kann. Schließlich stand er schon viele Jahre im Dienst der Könige von Babylonien ‏(Newuchadnezar, Ewil Meroidach, Belschazar und Dorjowesch).

Fortsetzung folgt ijH.


Mit freundlicher Genehmigung des Verlegers Hr. S. Beck (Zürich). Bestellungen des Buches «70 Galut Bawel» unter +41 44 241 43 89.

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