Siebzig Jahre Galut Bawel – 5 – Die Zerstörung Bawels

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Zerstörung Bawel

5. Kapitel (3388) – Die Zerstörung Bowels

Viele Jahre lang gab es zwei nebeneinanderliegende Königreiche, פרס – Persien, in dem zuletzt der König Astargus (Astyages) regierte und מדי – Medien, dessen König Dorjowesch I. (Dareios) hieß. Der König von Persien, Astargus, hatte nur eine Tochter und keine Söhne. Einst überredete ein Fürst des Königs dessen Tochter zur Heirat, ohne die Erlaubnis ihres Vaters. Als der König später davon erfuhr, ließ er den Fürst töten und warf seine Tochter ins Gefängnis. Dort gebar sie einen Sohn. Sofort nahm ihr der König das Kind weg und ließ es auf einen Berg bringen, damit es dort verhungere. Hkb“H schickte einen Hund, der das Kind ernährte, bis es groß und stark wurde. Mit der Zeit sammelten sich andere Männer um ihn und wählten ihn zu ihrem Anführer. Sie nannten ihn „Koiresch“, weil er von einer Hündin aufgezogen worden war. (Eine „Hündin“ heißt auf persisch „Koiresch“).

Darauf zog Koiresch mit seinen Männern in die Stadt und nahm sie ein. Koiresch tötete seinen Großvater Astargus und setzte sich auf seinen Thron. Das ganze Volk unterwarf sich diesem starken Kämpfer und huldigte ihm als König. Als Dorjowesch I., der König von Modai, von Koireschs Taten hörte, bewunderte er diesen Mann und gab ihm seine Tochter zur Frau. So wurde Koiresch, der König von Persien, zum Schwiegersohn von Dorjowesch, dem König von Modai. Zusammen fühlten sie sich genug stark, um gegen den bösen und grausamen Belschazar, dem König von Bowel zu kämpfen, und zogen mit einem großen Heer in den Krieg.

Dies geschah im Jahr 3388, dem dritten Regierungsjahr von Belschazar, und dem Ende der 70 Jahre des Königreichs Bowel, die Hkb“H dem Newuchadnezar versprochen hatte.

Ein schwerer Kampf entbrannte zwischen dem Heer von Dorjowesch und Koiresch und den unnachgiebigen Soldaten von Belschazar. Trotz der Überzahl der Soldaten von Dorjowesch und Koiresch gewann Belschazar die Schlacht, und die anderen mussten fliehen.

Nach seinem Sieg meinte Belschazar, dass die Worte des Nowi Jirmijohu nicht stimmen, der nur ein siebzigjähriges Bestehen des Königreichs Bowel vorausgesagt hatte. Doch Belschazar irrte sich in der Berechnung dieser 70 Jahre[1], denn er zählte sie ab der Entstehung des Königreichs Bowel (3318+70=3388).

Er veranstaltete in dieser Nacht ein riesiges Fest für seine 1000 Fürsten. Ihre Freude kannte keine Grenzen, und der König trank soviel Wein wie alle seine 1000 Fürsten zusammen. Es war die Nacht von Pessach, und die Jehudim verbrachten die Sedernacht in Trauer. Sie hatten gehofft, von ihrem schrecklichen König Belschazar erlöst zu werden und waren sicher, dass Bowel besiegt werde. Jetzt waren alle ihre Hoffnungen zerschlagen.

Als der König während des Festes vom vielen Wein berauscht war, fühlte er sich mächtige als alle, sogar mächtiger als Hkb“H.

Er besaß die Frechheit, die heiligen Geräte des Bet Hamikdosch, die Newuchadnezar nach Bowel bringen ließ, zu benützen. Sie tranken aus den Gefäßen des Bet Hamikdosch, und sogar seiner Hündin gab Belschazar aus diesen zu trinken. Sie lobten und dankten ihren Götzen dafür, dass sie durch sie den Krieg gewonnen hatten.

Plötzlich erschienen Finger einer menschlichen Hand und begannen auf der gegenüberliegenden Wand etwas zu schreiben.

Der König wurde bleich, und seine Knie begannen zu schlottern, er zitterte am ganzen Körper. Sofort rief der König, dass man alle Weisen von Bowel zu ihm bringen solle, die Zauberer, Sterndeuter und Weissager. Jeder, dem es gelinge, die geschriebenen Buchstaben zu deuten, den werde der König mit Purpur bekleiden, ihm eine goldene Kette um den Hals legen und ihn zum Herrscher von einem Drittel seines Reiches ernennen. Es gelang aber niemandem die Schrift zu deuten, obwohl die Sprache aramäisch war. Denn der „Maloch“, der diese Buchstaben geschrieben hatte, benützte den כתב אשירות, den sogar die Jehudim vergessen hatten, weil sie ihn schon solange nicht mehr benutzt hatten. Manche sagen, dass sie die Buchstaben deshalb nicht lesen konnten, weil sie das Geschriebene von rechts nach links lasen, statt von oben nach unten.

Alle Anwesenden standen verängstigt und zitternd umher und wussten nicht, was zu machen sei, bis die Königin eintrat und rief: „Lang lebe der König! Es gibt doch in deinem Königreich einen Mann, der g-ttliche Weisheit besitzt und den bereits dein Großvater als Fürst über alle Weisen von Bowel ernannter!“

Sofort begann man nach Daniel zu suchen, der nicht bei diesem Festmahl anwesend war, sondern fastete und Hkb“H um Erbarmen für das zerstörte Bet Hamikdosch bat. So trat Daniel vor den König und erstarrte, als er zum erstenmal in seinem Leben die heiligen Geräte des Bet Hamikdosch sah, die in den Händen dieses „Roscho“ verunreinigt wurden.

Voller Mut sagte er:

„Deine Geschenke behalte, denn ich brauche sie nicht! Außerdem sind deine Schätze gestohlenes Geld und werden dir nichts nützen! Doch die Schrift werde ich vor dem König lesen und sie erklären: Höre doch, oh König! Deinem Großvater gab G-tt ein Königreich und unbeschränkte Größe, Ehre und Pracht. Da erhob sich sein Stolz. bis er böse wurde und G-tt ihm seine Größe wegnahm. Danach kamst du, sein Enkel, und verhältst dich auch stolz gegenüber G-tt. Du lobst deine Götzen, die dich nicht hören, nicht sehen und nicht kennen, während du den wahren G-tt, in dessen Hand deine Seele und all deine Wege sind, nicht anerkannt hast. Deshalb ließ Er vor dir diese Schrift schreiben:

מנא מנא תקל ופרסין

Die Deutung dieser Worte ist:מנא – das Ende deines Königreiches ist „gezählt“,מנא – die Tage sind genau „gezählt“ worden, תקל – deine Taten wurden „abgewogen“ und du bist nicht würdig, dass es verlängert wird, ופרסין – das Königreich wird in zwei Hälften „zerteilt“ werden (Poras und Modai)!“ Als Belschazar diese Schreckensnachricht vernahm, versuchte er Daniel zu schmeicheln, damit er sich erbarme und Hkb“H bitte, das Verhängnis zurückzunehmen. Daher ließ er den Daniel mit Purpur bekleiden, ihm eine goldene Kette um den Hals legen und ließ ausrufen, dass Daniel ab heute, Herrscher über einen Drittel des Königreiches ist Es nützte aber nichts, die גזרה ging in dieser Nacht in Erfüllung!

Sofort ließ Belschazar die Obersten seiner Soldaten zu sich rufen und sprach:

„Bevor uns jemand angreift, will ich ihn ergreifen!“ Da erscholl der Lärm des herannahenden Feinds und der König befahl seinen ihm treu ergebenen Torwächtern: „Jeden, den ihr heute Nacht antrefft, sogar wenn er euch sagen wird, dass er der König ist, sollt ihr töten!“ Belschazar bekam aber vor lauter Angst und Furcht heftige Darmbeschwerden und musste unbedingt in dieser Nacht hinausgehen. (Es gab damals keine Toilette im Haus!) Niemand bemerkte ihn bei seinem Hinausgehen, doch bei seiner Rückkehr erblickten ihn die Torwächter in der finsteren Dunkelheit und fragten: „Wer bist du?“ „Ich bin der König“, antwortete Belschazar. Darauf ergriffen sie einen Leuchter und erschlugen ihn. Doch Belschazar starb erst, als der Morgen graute. Einer der Diener schnitt ihm den Kopf ab und trug ihn in das Lager von Dorjowesch und Koiresch“.

(Manche sagen, dass dies ein alter Diener war, der noch unter Newuchadnezar diente und daher wusste, dass alles was Daniel sagt, wahr ist. Als er den König sah, der von dem vielen Wein eingeschlafen war, schnitt er ihm seinen Kopf ab und brachte ihn Dorjowesch und Koiresch, damit sie ihn verschonen und leben lassen).

Sobald sie sahen, dass Belschazar tot war, drangen sie in Bowel ein und zerstörten die ganze Stadt.

Alle Bewohner von Bowel wurden getötet, aber den Jehudim wurde kein Haar gekrümmt. Als man Dorjowesch und Koiresch von der schreibenden Hand, deren Deutung durch Daniel und vom Tod des Belschazar erzählte, verstanden sie, dass all dies nur durch Hkb“H geschah!

Während die Soldaten von Dorjowesch und Koiresch in den Palast stürzten und die Wächter töteten, wurde die zwölfjährige Tochter des Belschazar, die Waschti hieß, von dem Lärm wach und kam aus ihrem Zimmer hinaus. Als sie das Kampfgetümmel im Palast sah, verstand sie nicht was los ist und begab sich zum Thron ihres Vaters. Sie meinte in der Dunkelheit, dass ihr Vater dort sitze und fiel auf seine Füße. Wie erstaunt war sie, als sie König Dorjowesch auf dem Thron ihres Vaters sitzen sah! Dorjowesch erbarmte sich ihrer und schonte ihr Leben. Er nahm Waschti mit sich, um sie seinem Urenkel Achaschweroisch, dem Enkel von Koiresch, später als Frau zu geben.

Fortsetzung folgt ijH.

Mit freundlicher Genehmigung des Verlegers Hr. S. Beck (Zürich). Bestellungen des Buches «70 Galut Bawel» unter +41 44 241 43 89.

[1] Die 70 Jahre Golus Bowel wurden ab der zerstörung des Bet Hamikdosch im Jahre 3338 gezählt (3338 + 70 = 3408).

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