13. Kapitel (3404-3406): Von Trauer zu Freude
Der König und Haman kamen zur Mahlzeit, die ihnen die Königin Esther zubereitet hatte.
Während des Essens sagte Achaschwerosch wieder zu Esther: „Was wünschest du, Königin Esther, und was ist dein Begehr? Alle Wünsche bis zur Hälfte meines Königsreiches werde ich dir erfüllen!“ Da antwortete Esther: „Wenn ich Gunst in den Augen des Königs gefunden habe, und wenn es dem König gefällt, so möge mir mein Leben auf mein Fragen und das Leben meines Volkes auf mein Bitten hin geschenkt werden. Denn ich und mein Volk sind verkauft worden, dass man uns vernichtet, tötet und umbringt; wären wir nur zu Sklaven und Sklavinnen verkauft worden, so hätte ich geschwiegen, aber den Feind des Königs stört es nicht, wenn der König einen Schaden erleidet!“ Esther sagte: „Zuerst neidete dieser Feind die Stellung der Königin Waschti und ließ sie hinrichten, jetzt beneidet er mich und läßt mich töten!“
Achaschwerosch wusste noch immer nicht, von wessen Volk und Familie die Königin Esther stammte, denn sie hatte es nicht verraten, wie Mordechai es ihr geboten hatte. Jetzt erfuhr er, dass sie vom Volk Jisrael war, und keine einfache Person war, denn sie stammte von der Familie von Schaul Hamelech ab. Deshalb hatte Achaschwerosch bisher zu Esther nur durch einen Dolmetscher geredet, weil er nicht wusste, ob sie von einer königlichen Familie stammte und seiner würdig war. Jetzt wandte er sich direkt an Esther und fragte: „Wer ist dieser Mensch, und wo befindet er sich, dessen Herz solches plant?“ Esther wollte auf Achaschwerosch selbst zeigen, denn er war der größere Feind der Jehudim, doch ein Maloch kam und ließ ihre Hand gegen Haman zeigen, denn das hätte den König sehr aufgeregt.
„Dieser schlechte Mensch und Feind! Haman ist es!“, rief Esther, und Haman zitterte vor Schreck.
Achaschwerosch war bisher tatsächlich ein noch größerer Feind der Jehudim gewesen als Haman, weil die Sterndeuter ihm voraussagten, dass später ein Jehudi seinen Thron übernehmen werde (siehe 8. Kapitel). Jetzt verstand er, dass diese Voraussagung nicht mit einem Aufstand der Jehudim zu erklären war, wie er bisher befürchtet hatte, und weshalb er die Jehudim unterdrücken wollte. Vielmehr bezog sich dies auf seinen eigenen Sohn von Esther, der wie seine Mutter ein Jehudi war.
Dieser Sorge enthoben, war der König jetzt besonders aufgeregt über seinen Minister Haman, den er schon als Verräter verdächtigt hatte, der ihn töten wollte. Jetzt musste er erfahren, dass dieser auch seine Frau, die Königin Esther, umbringen wollte und ihn mit der Vernichtung der Jehudim betrogen hatte! So erhob sich der angetrunkene König im Zom und ging in den Garten. Manche sagen, dass er sich dort beruhigen wollte, um die Mahlzeit der Esther nicht zu stören. Andere sagen, dass er den Lärm von Baumfällern im Garten vernahm und nach dessen Grund sehen wollte.
Ganz verblüfft sah er, dass dort Männer die herrlichen Bäume im Schlossgarten einfach zerstörten und alles niederschlugen. „Wer hat euch befohlen, dies zu tun?“, schrie der König außer sich vor Zorn. Und wieder lautete die Antwort: „Haman hat es uns befohlen!“ Chasal sagen, dass dies Malachim waren, die wie Menschen gekleidet waren. Manche sagen, dass sie wie die Söhne von Haman aussahen. Eigentlich war die Behauptung der Malachim eine Lüge; dies war jedoch eine Strafe für Haman („Mass für Mass“), weil auch er Lügen über den Klall Jisrael erdichtet hatte.
Inzwischen erhob sich Haman und begann, bei Esther um sein Leben zu bitten.
Da gab ein Malach dem Haman einen Stoß und er fiel auf die Königin, die auf einem Diwan sass[1]. Genau in diesem Moment kehrte der König aus dem Schlossgarten in den Speisesaal zurück und sah wie Haman auf dem Diwan der Königin lag. Er meinte, Haman sei über Esther aufgeregt und möchte sich an ihr rächen. So rief er: „Sogar in meinem Haus will er der Königin Gewalt antun?“ Kaum hatte Achaschwerosch diese Worte ausgesprochen, so verdüsterte sich das Angesicht von Haman. Er verstand, dass er jetzt alles verloren hatte!
Da sprach Charwona, einer der Hofdiener: „Siehe den Galgen, den Haman für Mordechai aufrichtete, der dem König Gutes erwiesen hat. 50 Ellen hoch steht der Galgen neben dem Haus von Haman!“ Manche sagen, dass Charwona auch in der Versammlung gewesen war, die Haman den Rat gegeben hat, einen Galgen für Mordechai zu bauen. Als er jedoch sah, dass über Haman Verderben hereinbrach, wollte er nicht wie Haman bestraft werden, und flüchtete, nachdem er alles verraten hatte. Andere sagen, dass Charwona sofort weglief und Elijahu Hanawi in der Gestalt von Charwona erschien.
Da befahl der König: „Hängt ihn auf seinem Galgen auf!“
Achaschwerosch ließ den Mordechai rufen und sprach zu ihm: „Geh hin und nimm den bösen Feind Haman, den Bedränger der Jehudim, und hänge ihn auf den Galgen, den er für „sich“ hergerichtet hat!“ Darauf ging Mordechai und führte Haman zum Galgen. Doch dieser fiel vor Mordechai auf die Knie und begann um sein Leben zu flehen: „Ich bitte dich, hänge mich nicht, so wie man mit einen gemeinen Verbrecher verfährt. Vergelte mir nicht die Feindschaft und den Hass von Amalek, sondern enthaupte mich mit dem Schwert des Königs, wie die Grossen des Reiches hingerichtet werden!“ So weinte Haman, doch Mordechai führte den Befehl des Königs aus und hängte ihn am 16. Nissan gegen Abend, am zweiten Tag von Pessach des Jahres 3404.
Nur 70 Tage hatte die Grösse und Macht von Haman gedauert, seit er zum Obersten aller Fürsten ernannt worden war.
An diesem Tag übergab Achaschwerosch der Königin Esther das Haus von Haman und sein ganzes Vermögen. Esther erzählte dem König, dass Mordechai mit ihr verwandt war, und dieser ließ darauf Mordechai zu sich rufen. Achaschwerosch überreichte Mordechai den Siegelring, den er dem Haman abgenommen hatte, und ernannte ihn somit zum Vizekönig. Esther setzte Mordechai als Verwalter über das Haus und das riesige Vermögen von Haman ein.
Am 23. Siwan, nachdem zwei Monate vergangen waren, fiel Esther dem König vor die Füße und bat ihn weinend, den Plan von Haman zu vereiteln, den er über die Jehudim ersonnen hat.
Der König reichte Esther das goldene Zepter, und Esther stand auf und trat vor den König hin. „Wenn es dem König gefällt und ich Gunst und Erbarmen vor ihm gefunden habe, wenn mein Wort dem König richtig scheint und ich gerecht bin in seinen Augen, möge ein Brief ausgesandt werden, um den Erlass von Haman für ungültig zu erklären, der geschrieben hatte, dass Jehudim vernichtet werden sollten. Denn wie könnte ich das Unglück ansehen, das mein Volk treffen würde? Wie könnte ich dem Untergang meiner Nation zuschauen?“
Achaschwerosch jedoch meinte: „Du hast von Anfang an gelogen, als ich dich fragte, von welchem Volk du stammst. Als ich dir gesagt habe, dass ich aus diesem Volk Fürsten und Verwalter erwählen möchte, antwortetest du mir: Ich weiß es nicht, Vater und Mutter sind gestorben und haben mich als kleines Kind verlassen! Jetzt habe ich dir das Haus von Haman gegeben, und ihn hat man gehängt, weil er seine Hand gegen die Jehudim ausgestreckt hatte. Mehr kann ich für euch nicht tun. Denn ein Schreiben, das im Namen des Königs geschrieben und mit dem Ring des Königs gesiegelt wurde, ist nicht rückgängig zu machen. Der Brief von Haman kann nicht für ungültig erklärt werden. Schreibt an die Jehudim, wie es euch richtig erscheint, im Namen des Königs und siegelt es mit meinem Ring, doch die Gesetze des Landes dürfen nicht verletzt werden!“
Jetzt war guter Rat teuer, wie konnten Mordechai und Esther das schreckliche Dekret von Haman aufhalten, der im Namen des Königs befohlen hatte, die Jehudim am kommenden 13. Adar (3405) zu vernichten?
Die Schreiber des Königs wurden am 23. Siwan gerufen, und es wurde ihnen befohlen, einen Brief aufzusetzen an die Jehudim und die Herrscher aller Nationen und die Fürsten jeder Provinz von Hodu (Indien) bis Kusch, den 127 Ländern, die zum Reich von Achaschwerosch gehörten. Jeder Nation und Provinz wurde in ihrer Schrift und Sprache im Namen des Königs geschrieben, und mit seinem Ring wurde gesiegelt (siehe Brief von Mordechai am Ende des Buches). Dasselbe galt auch für Jehudim, denen man in ihrer Sprache und Schrift schrieb. Die Briefe wurden durch Eilboten gesandt, die auf Pferden und Dromedaren aus den königlichen Ställen ritten. In diesen Briefen wurde die Erlaubnis des Königs erteilt, dass sich die Jehudim in allen Städten versammeln und sich gegen ihre Feinde wehren dürfen, sie töten, und auch deren Häuser und Besitz plündern dürfen! Die Erlaubnis galt für einen Tag, nämlich für den kommenden 13. Adar.
Nachdem der erste Brief von Haman nicht aufgehalten werden konnte, konnten mit diesem zweiten Brief wenigstens die Feinde der Jehudim verunsichert werden, wenn sie sehen, dass der König die Jehudim unterstützt. Außerdem schickte Achaschwerosch einen ausführlichen Brief in alle 127 Länder seines Reiches, in dem er über Hamans böse Pläne und dessen wohlverdiente Hinrichtung berichtete. Denn wenn ein Fürst irgendwelche Gesetze verhängte und starb, verloren diese Gesetze automatisch ihre Geltung. So wollte Achaschwerosch darauf aufmerksam machen, dass der Brief von Haman zwar nicht für ungültig erklärt werden kann, jedoch wegen Hamans Tod seinen Wert verlor.
Weshalb wartete Mordechai mit dem Schreiben vom 16. Nissan bis zum 23. Siwan, über zwei Monate, wenn die Angelegenheit so eilig war?
Er wartete, bis die Boten, die Haman mit dem ersten Brief ausgesandt hatte, von ihrem Auftrag zurückkehrten, und schickte dieselben Boten gleich wieder mit dem zweiten Brief weg, sodass sie keine Zeit hatten, sich auszuruhen. Damit wurde den Leuten gezeigt, dass die zweiten Briefe wichtiger als die ersten Briefe waren.
Mordechai selbst trat aus dem Königspalast mit königlichen Gewändern bekleidet, mit einem Kleid aus Seide und himmelblauer Wolle (manche sagen, dass mit dem himmelblauer Faden die „Zizis“ gemeint sind), mit goldenen Fäden bestickt und Edelsteinen verziert. Unter diesem trug er ein purpurnes Hemd mit herrlichen Vogelmotiven auf künstlerische Weise verschönert, das 420 Goldstücke wert war. Um seine Lenden war ein Gürtel gebunden, der mit teuren Edelsteinen bestückt war, und er trug prachtvolle persische Schuhe, die aus mazedonischem Gold angefertigt und mit Smaragden besetzt waren. Ein medisches Schwert hing an einer goldenen Kette auf seiner Hüfte, auf dem die Stadt Jeruscholajim aufgemalt war, und der Griff des Schwertes besaß eine herrliche Verzierung in Form einer medischen Stadt.
Auf dem Kopf trug Mordechai eine Krone aus mazedonischem Gold und trug für jeden sichtbar die Tefillin, die ebenfalls mit Gold verziert waren.
So schritt Mordechai aus dem Tor des Palastes. Der Boden war mit roten Teppichen belegt und die Wände mit wohlriechenden „Hadassim“ geschmückt. Einige Jehudim trugen kleine goldene Kronen. Vor Mordechai schritt ein großer Fürst des Landes und trug eine herrliche Krone in den Händen, wie es damals der Brauch der Fürsten war. Die größten Feinde und Judenhetzer waren die zehn Söhne von Haman. Diese wurden gefangen genommen und ihre Hände gefesselt. Man führte sie vor Mordechai in den Straßen umher. Freude herrschte unter den Jehudim in der ganzen Stadt. Esther, die als Königin nicht in den Straßen gehen konnte, beobachtete die Freude von einem Fenster des Palastes und als Mordechai sie erblickte, sprach er: „Gelobt ist Haschem, der uns nicht zur Beute ihrer Zähne machte![2]“
Esther antwortete: „Meine Hilfe war von Haschem, der Himmel und Erde machte!“[3]
Freude herrschte bei allen Jehudim in den 127 Ländern, als sie den zweiten Brief erhieltenten. Sie veranstalteten festliche Mahlzeiten, um Hkb“H zu loben und danken. Die Feinde der Jehudim, die im Geheimen mit Haman einen Pakt geschlossen hatten, überkam eine große Furcht, denn sie verstanden, dass ihr Plan vereitelt war und sie verloren hatten. Jetzt, da die Jehudim in den Augen des Königs angesehen waren, wollten auch viele Nochrim an der Ehre der Jehudim teilhaben. Sie nannten sich Jehudim und wollten zum Judentum übertreten. Sie wurden aber nicht angenommen, denn sie meinten es nicht לשם שמים.
Durch dieses fröhliche Ereignis nahm der Klall Jisrael von sich aus noch einmal die Einhaltung der Tora und Mitzwot auf sich. Denn beim Berg Sinai nahmen sie es unter Zwang auf sich, diesmal aber freiwillig! Esther teilte das riesige Vermögen von Haman in drei Teile: Einen Teil erhielten die Talmidej Chachomim, damit sie ungestört Tora lernen konnten, einen Teil behielten Esther und Mordechai für sich, und ein Teil wurde für den Bau des Bet Hamikdasch verwendet (auf die Erlaubnis zum Bau wartete man immer noch).
So wendete sich das Schicksal der Jehudim am 13. Adar, und sie errangen Gewalt über ihre Feinde. Im ganzen Reich von Achaschwerosch versammelten sie sich an diesem Tag und töteten die Männer, die als Feinde der Jehudim bekannt waren. Niemand hielt vor ihnen stand, denn die Angst vor ihnen hatte alle Völker überkommen. Die Herrscher und Staatsbeamten aller Länder lobten die Jehudim, da sie Angst vor Mordechai hatten. Denn Mordechai war angesehen im Haus des Königs, und sein Ruf ging durch das ganze Reich; er wurde immer angesehener.
Die Jehudim töteten in der Hauptstadt Schuschan 500 Mann und die zehn Söhne von Haman.
Aber an der Beute vergriffen sie sich nicht plünderten keine Häuser, obwohl es der König erlaubt hatte. Der König fragte Esther, ob sie noch einen Wunsch habe, er würde ihn erfüllen. Darauf bat Esther den König, dass die Jehudim in Schuschan auch am 14. Adar gegen ihre Feinde vorgehen durften und dass die Söhne von Haman an den Galgen gehängt werden. Der König erlaubte es, und so töteten die Jehudim nochmals 300 Mann. Im übrigen Reich von Achaschwerosch töteten die Jehudim 75’000 ihrer Feinde, vergriffen sich aber nicht an ihrem Besitz.
So wurden die zehn Söhne von Haman am selben Galgen, an dem Haman hing, aufgehängt.
Dies geschah auf folgende Weise: Haman, der fast ein Jahr auf dem Galgen hing (der König hatte ein Dach darüber anfertigen lassen, damit die Vögel seinen Körper nicht fraßen) wurde zuoberst auf den 50 Ellen hohen Galgen gezogen, nachdem man zwei Ellen leer gelassen hatte. Sein Körper nahm 3 Ellen des Galgens ein. Nach einer Elle Abstand hängte man seinen Sohn Parschandata auf, der ebenfalls 3 Ellen einnahm und nach einen weiteren Abstand von einer Elle folgte der nächste Sohn, bis zum jüngsten Sohn Wajisata. So hingen sie an dem Galgen, der 3 Ellen tief in den Boden eingesenkt war. 2 Ellen über dem Boden waren frei, bis zu den Füssen von Wajisata, damit die wilden Tiere den Körper nicht auffraßen.
Am 13. Adar kämpften die Jehudim im ganzen Reich des Königs und hielten am 14. Adar einen Freudentag mit Mahlzeit ab. Die Jehudim in Schuschan kämpften am 13. und 14. Adar und freuten sich am 15. Adar. Als Andenken an diese fröhlichen Ereignisse wurde am 14. Adar jedes Jahr ein Jom Tov gefeiert. In Erez Jisrael wurde in solchen Städten, die eine Mauer hatten, die noch zur Zeit von Jehoschua bin Nun gebaut worden war, Purim auf den 15. Adar wie in Schuschan gelegt. Das Fest erhielt den Namen Purim wegen der zwei Lose, die Haman der Bösewicht über die Jehudim geworfen hatte.
Achaschwerosch konnte seine Macht nicht lange genießen.
Nachdem in seinem Reich die Ruhe wiederhergestellt war und die Jehudim von ihren Feinden verschont waren, ereilte ihn die Strafe, weil er den Bau des Bet Hamikdasch verboten hatte. Auch Mordechai, der nur deshalb von Jeruschalajim nach Bawel und Persien zurückgekehrt war, um beim König den Wiederaufbau des Bet Hamikdasch zu erwirken (siehe 8. Kapitel), konnte sogar jetzt, als er zum Vizekönig ernannt worden war, nichts ausrichten. Denn Achaschwerosch lebte nur noch kurze Zeit nach der Purim-Geschichte.
Noch in seinem letzten Regierungsjahr erhöhte Achaschwerosch die Steuern seiner Untertanen derart, dass ihm alle böse gesinnt waren. Er plünderte auf diese Weise das Geld aller Menschen. Er hatte 14 Jahre lang regiert und starb im Jahr 3406.
Fortsetzung folgt ijH