Wir setzen die Publikation der spannenden Serie «Siebzig Jahre Galut Bawel» fort.
11. Kapitel (3404): Ein gefährliches Unterfangen
Am 15. Nissan (bez. 16. Nissan) erhob sich Esther aus dem Staub, in den sie sich gesetzt hatte und begann, sich für ihren Besuch beim König vorzubereiten. Sie legte königliche Kleider an, die aus kostbarer Seide und feinem Gold gewoben und mit teuren Edelsteinen und Perlen aus Afrika besetzt waren. Auf ihr Haupt setzte sie eine goldene Krone und zog Schuhe aus reinem Gold an. Dann begann sie ihre Tefila (Gebet) zu Hkb“H und bat Ihn, dass Er sie im „Sechus“ (Verdienst) der heiligen Vorväter rette. „So wie Du die drei Zadikim Chananjo, Mischoel und Asarjo aus der brennenden Glut und Doniel aus der Löwengrube gerettet hast, so rette mich aus der Hand dieses törichten Königs und lass mich Gunst in seinen Augen finden!“ Sie setzte ihre Tefila fort, bis ihre Kehle vom Schreien heiser war und die Augen blind von Tränen.
Da wurde Esther mit „Ruach Hakodesch“ umhüllt und spürte frische Kräfte, die sie nach ihrem langem Fasten stärkten.
Sofort machte sie sich auf den Weg zum König. Unterwegs musste sie jedoch an einem Ort vorbeigehen, an dem sich Götzenbilder befanden. Daher entfernte sich die Schechina (G-ttliche Anwesenheit) von ihr. Erschrocken rief Esther: “Mein G-tt, weshalb verlässt Du mich?!“ Chasal sagen, dass die Schechina deshalb von ihr wich, weil der Satan durch die Götzen wieder an die Sünde des Götzendienstes zur Zeit von Achaschwerosch erinnerte und so Hkb“H bedrängte, den Bnei Jisrael nicht zu helfen.
Esther verteidigte den Klal Jisrael und antwortete: „Du bist unser G-tt, der uns auch beim Jam-Suf, als wir das Götzenbild von „Micho“ mit uns führten, vergeben hat. Du bist unser G-tt, der uns auch beim Berg Sinai die Sünde des Götzendienstes vom goldenen Kalb vergab. So vergib uns auch jetzt!“ Am Tor des inneren Hofes des Königspalastes, gegenüber dem Saal des Königs, in dem er auf seinem Thron saß, blieb Esther stehen und wartete.
Da kamen drei Malachim (Engel) und unterstützten sie; der eine hob ihren Kopf, damit sie wieder ihre königliche Autorität zurückgewann. Der zweite gab ihrem traurigen Gesicht ein speziell begnadetes Aussehen und der dritte verlängerte das Zepter des Königs. Als der König Esther im Vorhof stehen sah, gewann sie Gunst und Liebe in seinen Augen, und er hielt ihr das goldene Zepter hin, das er in der Hand hatte, weil die Wachen des Königs herbeieilten, um die Königin zu töten. Esther trat heran und berührte die Spitze des Zepters.
Da Esther weit entfernt vom König stand, reichte das Zepter des Königs nicht bis zu ihr.
Sie musste sich beeilen, das Zepter zu berühren, noch bevor die Wachen sie erreichten. Deshalb verlängerte der Maloch das Zepter, bis sie es leicht erreichen konnte. Das Zepter war zwei Ellen lang und verlängerte sich bis zu 12 Ellen (≈3,24 m). Manche sagen, 16 (≈4,32 m), 24 (≈6,48 m), 28 (≈7,56 m), 60 (≈16,2 m), 62 (≈16,74 m) oder gar 200 (≈54 m) Ellen.
Da sagte der König zu ihr: „Was wünschest du, Königin Esther, und was ist dein Begehr? Alle Wünsche bis zur Hälfte meines Königsreiches werde ich dir erfüllen!“ Mit der Hälfte des Reiches meinte Achaschwerosch das Bet Hamikdasch, das in der Mitte der Welt steht, denn Erez Jisrael ist der Mittelpunkt der Welt. Esther aber sprach: „Wenn es dem König gefällt, so komme er heute mit Haman zum Essen, das ich für ihn zubereitet habe.“ Sofort befahl der König seinen Dienern: „Eilt und ruft den Haman, um den Wunsch der Esther zu erfüllen!“
Weshalb lud Esther auch den bösen Haman zum Essen ein?
Sie wollte, wie Chasal unter anderem erklären, Eifersucht gegen Haman im Herzen von Achaschweroisch erregen, so dass er sich gegen ihn wendet. Während des Essens beim Weintrinken sagte Achaschweroisch wieder zu Esther: „Was wünschest du und was ist dein Begehren? Alle Wünsche bis zur Hälfte meines Königsreiches werde ich dir erfüllen!“ Da antwortete Esther: „Meine Bitte und mein Begehr, o König – wenn es dir gefällt und wenn ich Gunst in den Augen des Königs gefunden habe, meine Bitte zu erfüllen ist, dass der König und Haman auch morgen zum Essen kommen, das ich für Euch vorbereiten werde, und dann werde ich meinen Wunsch vortragen!“
An diesem Tag ging Haman freudig und frohen Herzens aus dem Palast des Königs hinaus. Als er aber den Mordechai am Tor sah, der sich nicht vor ihm verneigte, wurde er von Zorn erfüllt. Er hielt aber seinen Zorn zurück und ging nach Hause. Dort ließ er alle seine Freunde und seine Frau Seresch zu sich rufen. Nachdem sich alle um ihn versammelt hatten, begann Haman von seinem Reichtum, von seiner Würde und seinen vielen Söhnen zu berichten und wie der König ihn über alle Fürsten des Reiches erhoben hat. „Hat nicht auch die Königin Esther nur mich mit dem König zum Essen eingeladen, das sie selbst bereitet hatte! Und auch morgen bin ich bei ihr eingeladen. Aber all dieses kann keine Freude mir aufkommen lassen, sobald ich den Mordechaj Hajehudi am Königstor sitzen sehe!“
365 Freunde und Ratgeber hatte Haman, der Anzahl Tage eines Sonnenjahrs entsprechend, doch niemand gab ihm einen so guten Rat wie Seresch, seine Frau.
Diese sprach: „Mit dem Feuertod kannst du ihn nicht bestrafen, denn aus dem Feuer wurde sein Ahne Awraham gerettet. Mit dem Schwert kannst du ihn ebenfalls nicht töten, denn vor dem wurde sein Vater Jizchak verschont. Im Wasser kannst du ihn nicht ertränken, denn aus diesem fanden Mosche und die Bne Jisrael ihre Rettung. In die Löwengrube kannst du ihn nicht werfen lassen, denn aus ihr wurde Danijel errettet. Ich rate dir, einen 50 Ellen (≈13,5 m) hohen Galgen zu errichten. Berichte dem König davon gleich am frühen Morgen und lass Mordechai aufhängen. Denn bis jetzt ist noch niemand von den Jehudim vom Galgen gerettet worden. Danach kannst du frohen Herzens mit dem König zum Essen der Königin gehen!“
Manche erklären, dass Seresch befürchtete, dass sich Mordechai mit Zauberei vor dem Tod retten könne.
Deshalb riet sie, ihn aufzuhängen, denn Zauberei funktioniert nur, wenn man mit den Füssen auf dem Boden steht. Auch wusste sie, dass die Kraft des Klal Jisrael nur in ihrer Tefila besteht. Wenn Mordechai gehängt wurde, würde er gehindert werden, seine Tefila zu Hkb“H zu richten. Andere sagen, dass weil Bigtan und Teresch Freunde von Haman waren und wegen Mordechai gehängt wurden, wollte sich Haman an Mordechai auf die gleiche Weise rächen.
Wie die böse Seresch Haman geraten hatte, begann er nun einen 50 אמות langen Holzbalken zu suchen. Ein solcher war jedoch nur schwer zu finden. „Parschandosso“, einer von Hamans Söhnen, war ein General des persischen Militärs in קרדוניא (Kurdistan). Er brachte ihm einen Balken von Noiach’s Tejwa, deren Breite 50 אמות betrug und deren Überreste sich auf den Bergen אררט (Ararat-Gebirge) befinden. Nach einer anderen Ansicht stammte dieser Balken vom „Kodsche Kodoschim“ des Bet Hamikdasch, das 50 Ellen hoch war. Manche sagen, dass er diesen Balken schon früher als Stütze in seinem Haus eingebaut hatte. Haman zerstörte sein Haus, um diesen Balken für seine Rache an Mordechai verwenden zu können.
Weshalb machte er ihn 50 Ellen hoch?
Manche sagen, damit man Mordechai überall sehen konnte. Eine andere Erklärung ist, dass es ein allgemeines Gesetz gab, dass der Verurteilte begnadigt wird, wenn der Strick des Galgens zerreißt. Bei einem so hohen Galgen konnte dies nicht geschehen, denn auch wenn der Strick reißen sollte, wäre der Sturz in die Tiefe tödlich.
Seresch riet, Mordechai am frühen Morgen zu hängen, noch bevor er Zeit hätte, קריאת שמע של שחרית zu sagen, damit ihm dieser „Sechut“ nicht beistehen konnte, (קריאת שמע, d.h der erste Passuk von שמע und בשכמל“ו, hat 50 Buchstaben). Auch erklärte Seresch, dass Esther am frühen Morgen nicht beim König sein werde und daher Mordechai nicht beschützen könnte.
In derselben Nacht ließ Haman den Galgen durch Handwerker anfertigen. Er war 12 Ellen breit. Haman probierte danach den Galgen an sich selbst aus, um seinen Dienern zu zeigen, wie Mordechai hängen soll. Da ertönte eine Bat Kol (himmlische Stimme) und verkündete: „Der Galgen ist schon seit der Welterschaffung für dich bestimmt!“
Fortsetzung folgt ijH.
Mit freundlicher Genehmigung des Verlegers Hr. S. Beck (Zürich). Bestellungen des Buches «70 Galut Bawel» unter +41 44 241 43 89.