Für Dwar Haschem auf die Barrikaden

Datum: | Autor: B. Pappenheim | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Reform

Wer war das?

Unsere Weisen sagen: Löst sich ein Ziegel in einer Dachkuppel – lockert das auch die übrigen Steine. Er sah das wieder und wieder mit eigenen Augen: Reagierten die Rabbanim nicht sogleich eindeutig auf Versuche der Reformbewegung – lockerte sich gar bald der nächste Stein in der Festungsmauer des Judentums. Er sprang in die Bresche. Aber die Front zog sich über weite Strecken. Waren es Versammlungen in Braunschweig, Kassel, Hamburg oder Berlin – er erkannte, dass die Neuerung ein einziges Ziel anstrebte: die vollkommene Assimilation an das Gastvolk um möglichst bald die Schranken zwischen Jehudi und Nichtjehudi aufzuheben. Mit andern Worten – Tora und Judentum den Rücken zu kehren.

Ein Enkel einer der größten Reformwegbereiter stand als „Arel“ vor der Versammlung.

Der bekannte Historiker, der Großvater, nahm es gelassen, dass an seinem Enkel Brit Mila nicht vollzogen worden war. Die anfänglichen Forderungen betreffs des Almemors, diesen nicht, wie im Jeruschalmi verankert, in der Mitte des Bet Haknesset zu belassen, scheinbar um der Kirche ähnlicher zu sein – weiteten sich immer mehr aus. Die Reform forderte die Aufhebung der Neginot von Kriat Hatora, die Tefillot in deutscher Sprache zu sagen, die leise Schmone-Esre zu übergehen, die Orgel einzuführen, auch dies aus Nachahmungstrieb und alle Tefillot, Zion und Jeruschalajim betreffend – zu streichen.

Er sah, dass die Rabbanim keine Gegenwaffe in der Hand haben wenn sie der Landessprache nicht mächtig sind, die Sprache, in der sich die Reformprediger an ihre Hörer wandten. Ähnlich reagierte in unserem Jahrhundert der Chason Isch, als man ihn fragte, ob die Schulen Laschon Kodesch als Unterrichtssprache akzeptieren dürfen. Seine Antwort war eine Erzählung, wie Offiziere des Ersten Weltkrieges im Zweiten Weltkrieg glaubten, dieselben Festungen errichten und schützen zu müssen, nicht erkennend, dass sich die Fronten verschoben haben.

So befürwortete er die Draschot in der Sprache des Landes.

Er selbst, der Raw und Possek, an Arbeit überlastet, sah es als notwendig, auch schriftlich das Publikum zu erfassen und schrieb für die Zeitschrift welche der „Aruch Laner”, Rabbi Jaakow Ettlinger (Altona) ins Leben gerufen hatte „Schomer Zion Hane’eman“. Als Doktor Lehmann in Mainz den „Israelit“ herausgab, stützte er auch diesen.

Rabbi Jaakow Ettlinger SZL
Rabbi Jaakow Ettlinger SZL
Rabbiner Dr. Meir Lehmann SZL
Rabbiner Dr. Meir Lehmann SZL

Er sah es eben taktisch als nicht effizient an, das Publikum nur durch Verbote abzuschirmen und zu verteidigen. Nicht nur anrennen und bekämpfen, war seine Devise, sondern positive Dinge tun, Festungen zu errichten. Allerdings, um aufzubauen muss die Fläche eben sein. In die Praxis umgesetzt bedeutet das: sich von verdünnten und verwässerten Linien trennen auch wenn das schmerzhaft ist und dann die übriggebliebene Masse verbinden und zusammenhalten. So, also, wie Rabbiner Schamschon Refael Hirsch es in Frankfurt a/M mit 11 Gründer Baale-Batim gewagt hat. Durch diesen nicht im Winde der Mode schwankenden Draht Burgen der Jüdischkeit zu bauen. Er sah ebenfalls in dieser Methode die einzige Möglichkeit nicht in das Fahrwasser der Anpassung an die Umwelt, mit Aufgabe der eigenen Kultur, zu geraten.

In seinem persönlichen Leben würde er in Gedanken und Tat niemals seine eigenen Interessen im Auge haben.

Zum Distrikt seines Wirkungskreises gehörten viele Städte und Dörfer. Er befürwortete sehr, wenn auch sein Rabbanutgebiet dadurch geschmälert wird, dass jede Ortschaft ihren eigenen More Hora’a haben soll, um es den Leuten zu erleichtern, den Psak-Halacha schnellstens zu erhalten. Besonders wichtig, natürlich, am Erew Schabbat und Erew Jomtow.

Bei Erhalt eines Gehaltes entdeckte er, dass der Betrag viel höher als sonst war. Er sandte das Couvert zurück: Er wünsche keine Gehaltserhöhung – sei eine solche doch kürzlich den Melamdim verweigert worden. Es blieb der Gemeinde nichts übrig: sie mussten auch dem Schochet und den Melamdim das Gehalt verbessern.

Fast in jeder seiner Tschuwot erwähnte er seinen Rebben, den Chatam Sofer. Und zwar zitierte er nicht dessen Sfarim, sondern das persönlich von ihm Gehörte. Hatte er doch sechs Jahre in Preßburg gelernt. Vom Chatam Sofer als Waisenknabe ganz besonders unter seinen Schutz gestellt und gefördert. Auch den ersten Posten seines Lebens erhielt er durch die warme Empfehlung des Chatam Sofer.

Später, als weltberühmter Raw, liefen ihm bei Erwähnung seines Rebben die Tränen herunter.

Die Liebe und Zuwendung, die er durch den Chatam Sofer erfahren hat, gab er seinen zahlreichen Schülern weiter, von denen die meisten einflussreiche Rabbanim wurden. Seine Schiurim gab er stehend, angetan mit Schabbatkleidern. Wenn auch seine Pflichten als Raw, Rosch Jeschiwa und Possek, welcher Briefe für weit und breit beantworten musste, ihn sehr beanspruchten – so nahm er sich doch regelmäßig die Zeit die Tinokot schel Bet Rabban, die jüngeren Kinder, einzeln zu prüfen, ein Antrieb und Auftrieb für die Jungen und ihre Melamdim.

Es wird uns vielfach von der Bescheidenheit der Gedolej Jisrael berichtet. Die seine ging so weit, dass er sich der eigenen Größe überhaupt nicht bewusst war. Man verglich ihn in dieser Hinsicht sogar mit Rabbi Akiwa Eiger. Der Possek, der für Dwar Haschem auf die Barrikaden stieg – war in seinen eigenen Augen unwichtig.

Dem kleinstädtischen Tritschi-Tratschi, kurz Laschon Hara genannt, setzte er einen Dämpfer auf: als ein Baal-Bajit über einen andern herzog, gab er seinem Schammes ein Zeichen. Der schaffte flink den Bescholtenen herbei. Die plötzliche Gegenüberstellung war dem Laschon Hara-Träger äußerst peinlich und der Stadt ein durchsichtiger Wink. Er, der „Rodef Schalom“, schaffte auch in verschiedenen Städten, wie z.B. in Klausenburg, Verständnis zwischen Jehudim, die sich an Minhag Aschkenas hielten und solchen die Nussach HaAri auf sich genommen hatten.

Viele Jahre fungierte er als Raw in einer kleinen Kehila in der Slowakei, die letzten Jahre seines Lebens Raw in Chust.

Synagoge in Chust
Synagoge in Chust

Sein Name? Es hat eine Bewandtnis damit: Als die österreichische Regierung von den Jehudim verlangte, ihrem jüdischen Namen einen Familiennamen hinzuzufügen, bildete seine Familie den Namen aus dem jüdischen Satz: „Schmot Jisrael kedoschim – שמות ישראל קדושים„.

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