Wochenabschnitt Pinchas – Weshalb geschahen dem Pinchas so viele Wunder?

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Pinchas

Weshalb geschahen dem Pinchas so viele Wunder bei seiner eifervollen Tat?

„Pinchas ben Elasar ben Aharon haKohen wandte meinen Zorn von den Kindern Jisrael ab… Darum sage zu ihm: Ich gebe ihm Meinen Bund des Friedens…“ (25,11-12)

In der Gemara zählen Chasal sechs Wunder auf, die Pinchas geschahen, als er seine Tat vollbrachte[1]. Im Midrasch werden sogar zwölf Wunder aufgezählt[2].

Gemäss Rabbi Chajim Josef David Asulai sZl., der bekannte Chid“o (18. Jhr.), ist dies im Buchstaben ו‘ des Wortes שלום angedeutet, das in der Tora so geschrieben wird, dass es in der Mitte halbiert ist[3]. Somit kann der Buchstabe weiterhin als ‚Waw‘ gelesen werden – der den Zahlenwert von sechs beträgt – und sieht auch wie zweimal ‚Waw‘ aus – was zwölf ausmacht[4].

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Es wundert einen dennoch: Weshalb waren diese vielen Wunder nötig?

Rabbi Jizchak Arama sZl., der Verfasser des ‚Akedat Jizchak‘ (15. Jhr.) erklärt, dass sich Pinchas bei dieser Tat auf sehr dünnem Eis bewegte. Die Halacha schreibt für einen solchen Fall das folgende Vorgehen vor: „Wer sich mit einer Nochrit (Nichtjüdin) vergeht, kann durch Kana’im (Eiferer) bestraft werden. Diese Strafe wird jedoch nicht durch das Bet-Din gefällt oder ausgeführt!“ Chasal sagen, dass diese Halacha dem Mosche Rabenu für den Moment entfallen war, als ihn Pinchas darauf ansprach, bis dieser ihn daran erinnerte[5].

Dies wurde vom Himmel absichtlich so herbeigeführt, erklären die Meforschim, weil Mosche Rabenu als ‚Manhig haDor‘ (Führer der Generation) und Vorsitzender des Sanhedrin in diesem Fall unmöglich eingreifen konnte. In einer solchen Situation hat nur ein Kana’i handeln, einer, der sich ohne Bedenken mit voller Bereitschhaft (Messirut Nefesch) und kompromisslos gänzlich dem Willen von Hkb“H hingibt. Wer hingegen irgendein offizielles Amt innehat und somit das Wohl der Gemeinschaft als Ganzes vertretet und verteidigen muss, darf sich hier nicht einmischen, da dann nicht immer klar ersichtlich ist, welche Interessen er in dieser Situation vertritt.

Es ist klar, dass bei jedem Sünder, der in der Öffentlichkeit sündigt, ausser dem Willen der Tora, auch ein Interesse der Gemeinschaft besteht, diesen Übeltäter zu bestrafen, um Nachahmer abzuschrecken. Wenn nun jemand gemäss der Tora mit dem Tod bestraft werden muss und dies vom Sanhedrin offiziell ausgeführt wird, so ist es eindeutig, dass hier die Interessen der Tora vertreten worden sind, selbst wenn auch das Volk bei dessen Bestrafung aufatmet.

In Fall von Simri aber hatte er sich trotz seiner furchtbaren Sünde, die er begangen hatte, gemäss dem Strafrecht der Tora keiner Todesstrafe schuldig gemacht. Er konnte daher nicht offiziell durch das Bet-Din hingerichtet werden. Die Tötung konnte und durfte nur auf inoffizielle Weise ausgeführt werden, und zwar von einer Person, der die verletzte Ehre G’ttes zutiefst empörte, und dies nicht auf sich beruhen lassen konnte. Hingegen wenn ein Gemeindevertreter diese Bestrafung vornahm, wäre die Ehrlichkeit und das hundertprozentige „leSchem Schamajim“ (“Im Namen des Himmels”) dieses Eifers unklar und in Frage gestellt worden: Ging es ihm bei dieser Aktion nur um die Ehre von Hkb“H und der Tora, oder wollte er damit auch das Interesse des Volkes bewahren?! Hinsichtlich des Gemeindewohls hätte man den Sünder nicht unbedingt töten müssen. Da hätten auch „Malkot“ (Züchtigung) etc. genügt!

Somit verstehen wir, weshalb Pinchas vor seiner Tat noch nicht als „Kohen“ bestimmt worden war, obwohl dies eigentlich logisch gewesen wäre, da sein Vater und Grossvater ebenfalls Kohanim waren[6]. Denn wäre Pinchas bei der Geschichte mit Simri bereits ein ‚Kohen‘ gewesen, wäre er auch ein ‚Vertreter der Gemeinschaft‘ gewesen. Dann hätte seine Tat womöglich aus eigenem Interesse motiviert werden können, die Gemeinde von einem solchen Sünder zu befreien. Solange er aber ein gewöhnlicher Jisrael war, war nicht anzunehmen, dass er etwa anderes als den Schutz der alleinigen Ehre von Hkb“H und der Tora beabsichtigte.

Um dennoch jeglichen Zweifel seiner lauteren Absicht in den Augen des Volkes zu zerstreuen, geschahen ihm bei seiner eifervollen Tat 12 Wunder. [Vielleicht waren es 12 Wunder entsprechend den 12 Stämme Jisraels, wobei sich jeder Stamm mit einem der Wunder identifizieren konnte. Denn wie es der Natur der Menschen entspricht, wird nicht jedes Wunder von allen Menschen gleichwertig als Wunder betrachtet!]

Dieser, völlig von fremden Nebengedanken unbeeinflusste Kin’ah, wird auch von Hkb“H bezeugt (25,11): „Bekano et kinati – er eiferte Meinen Eifer“ und nicht etwa seinen eigenen oder den eines anderen. Hätte er auch nur den geringsten fremden Gedanken und Eigeninteresse empfunden, wären ihn keine Wunder geschehen!

Und trotzdem sind Wunder gemäss der Regel von „Tora lo ba’Schamajim“[7] keine Beweise. Viele Leute wollten Pinchas trotz all der Wunder angreifen, weil er immerhin einen Stammesfürst von Jisrael getötet hatte. „Wer beweist uns, dass er wirklich „leSchem Schamajim“ gehandelt hatte?“ Als Haschem aber den Namen von Pinchas bis auf seinen Grossvater ‚Aharon haKohen‘ zurückführte, verstummten sie[8].

Hkb“H machte sie damit auf die innere Verbindung seiner Tat mit dem Lebenswerk von Aharon haKohen aufmerksam, der immer Frieden im Klall Jisrael stiftete. Ebenso hatte Pinchas durch seine Tat den Frieden zwischen Hkb“H und dem Klall Jisrael wieder hergestellt, so dass die ‚Magefa‘, die durch die Sünde entfachte Epidemie (25,3/8), zu wüten aufhörte. Somit hatte er sich die ‘Kehuna’ (Priestertum) redlich verdient, um weiterhin durch die Korbanot als Friedensstifter zwischen G’tt und Jisrael tätig zu sein.


  1. Sanhedrin 82b
  2. Sifri, Targum JbU zur Stelle und Midrasch Bamidbar Rabba 20,25
  3. Kiduschin 66b
  4. ‚Petach Enajim‘ zu Sanhedrin ibid.
  5. Sanhedrin ibid. und Raschi 25,7
  6. Siehe Raschi 25,13 gemäss Sewachim 101b
  7. Seit ‚Matan Tora‘ befindet sich die Tora nicht mehr im Himmel. Halachische Fragen und Gerichtsurteile können daher nur durch menschliche ‚Dajanim‘ auf dieser Welt entschieden werden, ohne jeglichen Einfluss eines himmlischen Zeichens (siehe Dewarim 30,11-14, Tmura 16a, Baba Mezia 59b u.a.).
  8. Raschi 25,11 gemäss Sanhedrin 82b

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