Pinchas erhielt dank seinem Eifer, mit dem er seine Tat ohne Zögern vor den Augen aller Jehudim vollbracht hatte, einen speziellen Bund mit G’tt.
Es ist klar, dass Pinchas diesen Lohn nur deshalb erhielt, weil er voll und ganz „leSchem Schamajim“ (‘für den Namen G’ttes’) eiferte. Jedermann kann ein Kana’i (Eiferer) sein, doch wer meint dies wirklich ausschließlich „leSchem Schamajim“, ohne jeglichen Hinter- und Nebengedanken?
Aus der Reaktion der Bne Jisrael, wie sie im Midrasch zitiert wird, ist zu entnehmen, dass sie Pinchas verdächtigen, aus einem solchen, versteckten Motiv heraus gehandelt zu haben:
„Habt ihr den Sohn Putis gesehen, dessen Großvater Kälber zum Götzendienst gemästet hatte, und der nun einen Fürsten von Jisrael tötete?“[1] Mit der Erwähnung des früheren Götzendienstes von Jissro, dem Großvater von Pinchas, wurde angedeutet, dass bei Pinchas „fremde Gedanken“ eine Rolle gespielt hatten – es sich hier sozusagen um „Awoda Sara“ (fremder Dienst) handelte.
Alle waren sich bewusst, dass Pinchas nichts Unrechtes getan hatte, schließlich hatte er die Erlaubnis, ja sogar den indirekten Befehl von Mosche Rabenu bekommen, den Fürsten ‘Simri’ zu töten[2]. Der Vorwurf bezog sich daher nur auf die Gedanken, Gefühle und die Motivation von Pinchas: Dass er kein „Kana’i leSchem Schamajim“ war und deshalb den Simri nicht hätte töten dürfen. Dieser Vorwurf konnte von keinem Menschen entkräftet werden, denn wer kann schon die Gedanken eines anderen lesen. Daher musste Haschem selbst, Der die Gedanken eines jeden Menschen kennt, sich seiner annehmen und die Redlichkeit von Pinchas bezeugen.
Pinchas war also ein echter, von G’tt bestätigter Kana’i.
Hkb“H vergleicht ihn deshalb mit seinem anderen Grossvater „Aharon haKohen“, den die Torah mit den folgenden Worten lobt: (Bamidbar 8,3) „וַיַּעַשׂ כֵּן אַהֲרֹן“ – „Aharon machte es genauso wie G’tt es dem Mosche befohlen hatte“, was Chasal so interpretieren: „Lehagid Schwacho schelo schinah“ – „Die Torah möchte sein Lob erzählen, dass er nichts abänderte“[3]. Worin bestand das besondere Lob für diesen Zadik? Selbstverständlich hat er nichts vom Willen von Haschem abgeändert! Hier bezeugt die Torah, dass Aharon nicht einmal in seinem Herzen etwas änderte und die Mizwa der täglichen Entzündung der Menorah ausschließlich „leSchem Schamajim” ausführte, ohne jegliches Eigeninteresse wie z.B. ‘Kawod’ (Ehre, Ruhm) etc. Auch über seinen Enkel bezeugt die Torah, dass er die Tötung von ‘Simri’ wie der G’ttesdienst von Aharon haKohen ohne jegliche Nebengedanken verrichtete und nur den Willen G’ttes im Sinn hatte!
Wenn man es sich genau überlegt, verhält sich das nicht nur mit dem Eifer von Pinchas so. Ebenso wie sich die Bne Jisrael über die Reinheit seines Kana’ut wunderten, müsste man sich eigentlich selbst auch bei jeder Ausführung einer Mizwa oder Arbeit für den ‘Klall’ (freiwilliger Dienst an der Gemeinde) fragen: „Habe ich dies wirklich „leSchem Schamajim“ gemacht? Bin ich wirklich „ossek beZorche Zibbur be’Emuna“?[4] Hat sich nicht irgendwo ein fremder Gedanke (‘Awoda Sara’) oder Eigeninteresse eingenistet?“
Wenn nun dieses reine „leSchem Schamajim“ so selten ist, wie ist es dann dem Pinchas gelungen, diese hohe ‘Madrega’ (geistige Stufe) zu erreichen?
Die Torah berichtet von Awraham Awinu bei der „Akedat Jizchak“ (Bereschit 22,10): „Awraham streckte seine Hand aus und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schächten“. Weshalb der Passuk uns erzählen muss, dass Awraham „seine Hand ausstreckte, um das Messer zu ergreifen“, wird von Rabbi Levi Jizchak von Berditschev sZl. so erklärt: Awraham Awinu erfüllte alle Gebote der Torah, obwohl sie ihm niemand beigebracht hatte. Wie war dies möglich? Er hatte seinen Körper so geläutert und geheiligt, dass jedes Glied seine ihm entsprechende Mizwa von selbst fühlte und ausführte. Bekanntlich entsprechen die 248 Gebote den 248 Gliedern, und die 365 Verbote den 365 Sehnen des Körpers[5].
Awrahams Körperteile waren so heilig, dass sie von alleine den Willen von Hkb“H spürten und diesen erfüllen wollten. Da es aber gar nicht der Wille von Haschem war, Jizchak schächten zu lassen, da Awraham ja nur geprüft werden sollte, wollte seine Hand gar nicht das Messer ergreifen. Deshalb musste Awraham sich regelrecht dazu zwingen und sie mit Gewalt ausstrecken, um das Messer in die Hand zu nehmen.
Auf diese Weise wird auch die Frage zum bekannten Ausspruch von Chasal beantwortet, die sagen:
„Das Empfangen von Gästen ist größer als der Empfang der ‘Schechina’ (der g’ttlichen Präsenz). Dies lernen wir von Awraham Awinu, der mitten im Gespräch mit der Schechina G’ttes war, die ihn am dritten Tag seiner Brit-Mila besuchte, und weglief, um Gäste zu empfangen“[6]. Wir lernen dieses Vorgehen von Awraham Awinu, doch woher wusste er diese Regel?
Die Antwort ist einfach: Er spürte es am eigenen Körper. Als seine Füße zu rennen begannen, als sich ihm Gäste näherten, verstand er, dass dies der eigentliche Wille von Haschem war. Eine Andeutung dazu finden wir im Passuk, wo es heisst (Bereschit 18,2): וַיִּשָּׂא עֵינָיו – „Er erhob seine Augen” – וַיַּרְא וְהִנֵּה שְׁלֹשָׁה אֲנָשִׁים נִצָּבִים עָלָיו – „und er sah, siehe drei Männer stehen vor ihm” – וַיַּרְא וַיָּרָץ לִקְרָאתָם – „und er sah, und lief ihnen entgegen”. Was sah Awraham beim zweiten Mal? Er sah seine Füße, die die Mizwa von „Hachnassat Orchim“ (Bewirten von Gästen) erfüllen wollten. Dies war der Beweis, dass er die g’ttliche ‘Schechina’ verlassen musste und die Mizwa Vorrang hatte[7].
Auch bei Pinchas steht ein solches unscheinbares Verb „wajar” – „und er sah“ (Bamidbar 25, 7): וַיַּרְא פִּינְחָס – „und es sah Pinchas… da erhob er sich aus der Gemeinde und nahm einen Speer in seine Hand“. Auch hier fragt Raschi, was er denn gesehen habe? Der Mattersdorfer Raw, Rabbi Jisrael Taussig sZl., beantwortete diese Frage wie bei Awraham Awinu. Pinchas sah, wie seine Füße sich von alleine erhoben und wie seine Hand einen Speer ergriff[8].
Raschi berichtet, dass Pinchas zuerst zu Mosche Rabenu ging und diesen an die Halacha von „Kana’im pog‘im bo“ erinnerte.
„Ich habe von dir die Überlieferung empfangen, dass denjenigen, der einer nichtjüdischen Frau beiwohnt, die Eiferer töten!”[9] Da sagte Mosche zu ihm: „Wer den Brief (des Königs) zu lesen versteht, sei auch sein Überbringer”. Sofort nahm Pinchas einen Speer in seine Hand…”[10] Mosche Rabenu hatte es ihm also nicht direkt befohlen, da die Halacha zwar so lautet, aber kein Bet-Din eine solche halachische Entscheidung treffen darf (הֲלָכָה, וְאֵין מוֹרִין כֵּן)[11]. Weshalb nicht? Weil die eigenhändige Tötung eines solchen Frevlers nur dann erlaubt ist, wenn es hundertprozentig „leSchem Schamajim“ geschieht. Das Bet-Din kann sich aber nicht sicher sein, ob der Fragesteller tatsächlich reines Herzens ist!
Deshalb war auch Pinchas zuerst unschlüssig, denn er war sich nicht sicher, ob er wirklich den “Brief des Königs” zu lesen verstand, d.h. die Tat wirklich „leSchem Schamajim“ ausführen konnte, also Zweifel hatte, und die Mizwa daher nicht ausführen durfte. Als er aber sah, wie seine Füße sich von alleine bewegen wollten und seine Hand den Speer wie von selbst ergriff, da war ihm klar, dass dies der Wille von Haschem war. Sein Körper war nun so heilig, dass er von alleine den „Razon Haschem“ (Willen G’ttes) erkennen konnte und ausführen wollte.
Wer auf einer solchen ‘Madrega’ steht, dessen Taten entsprechen nur dem g‘ttlichen Willen und können von niemandem in Zweifel gezogen werden!
Im Sohar haKadosch steht, dass während Pinchas seine eifervolle Tat ausübte, die Neschamot (Seelen) von Nadaw und Awihu, den verstorbenen Söhnen von Aharon haKohen, in ihn eindrangen und so ihren ‘Tikun’ erhielten[12]. Rabbi Dow Berisch Frommer sZl., der Rebbe von Oschpezin (Oświęcim/Auschwitz) erklärte die Gemeinsamkeit zwischen Pinchas und den Söhnen Aharons so: Als Nadaw und Awihu unaufgefordert ins Mischkan eintraten, um dort ‘Ketoret’ (Räucherwerk) darzubringen, hatten auch sie dies „leSchem Schamajim“, mit reiner Absicht getan. Ihr Fehler bestand jedoch darin, dass sie dies eigenwillig taten und somit eine ‘Halacha’ in Anwesenheit ihres Rebbe Mosche entschieden anstatt ihn zu fragen. Deshalb bestrafte Haschem sie und sie starben dabei.
Dennoch verdienten ihre heilige Neschamot ihren ‘Tikun’, damit sie ihren ‘Schlejmut’ (Vollkommenheit) erreichen konnten. Dies erreichten sie durch Pinchas, der sich in einer genau umgekehrten Situation befand: Er befragte zwar seinen Rebbe vor seinem Unternehmen, doch dieser erklärte ihm, dass er diese Halacha nicht für ihn entscheiden dürfe und er es selbst tun müsse. Er entschied also selbst und führte seine Tat auch „leSchem Schamajim“ aus. Während dieser Aktion durften auch die Neschamot der beiden Söhne Aharons in Pinchas’ Körper weilen, um ihm bei der Ausführung dieser Mizwa begleiten und erlangten so ihren ‘Tikun’[13].
- Siehe Raschi 25,11 gemäss Sanhedrin 82b ↑
- Siehe weiter unten ↑
- Siehe Raschi 8,3 ↑
- Am Schabbat nach Keriat haTorah wird in einem speziellen „Mi Sche‘berach“ G’ttes Segen insbesondere für diejenigen erbittet, die freiwillige Dienstleistungen für die Gemeinde tätigen. ↑
- Keduschat Levi zur Stelle u.a. ↑
- Schabbat 127a ↑
- Chassde Awot ↑
- Bet Jisrael haSchalem P. Pinchas ↑
- Mischna Sanhedrin 81b ↑
- Raschi 25,7 gemäss Sanhedrin 82a ↑
- ibid. 82a ↑
- Sohar haKadosch P. Acharej Bd3/S.57 ↑
-
Diwre Zadikim (P. Schemini) ↑