Wochenabschnitt Jitro – Der Vorschlag von Jitro

Datum: | Autor: Rav Schimschon Raphael Hirsch | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Volk

יח (כא) וְאַתָּה תֶחֱזֶה מִכָּל הָעָם אַנְשֵׁי חַיִל יִרְאֵי אֱלֹקִים אַנְשֵׁי אֱמֶת שֹׂנְאֵי בָצַע וְשַׂמְתָּ עֲלֵהֶם שָׂרֵי אֲלָפִים שָׂרֵי מֵאוֹת שָׂרֵי חֲמִשִּׁים וְשָׂרֵי עֲשָׂרֹת.

Kap. 18,21: Aber wähle auch aus dem ganzen Volk Männer von Tüchtigkeit, g-ttesfürchtige, Männer von Wahrheit, die Gewinn hassen, und setze über sie [Jisrael] Fürsten aus Tausenden, Fürsten aus Hunderten, Fürsten aus Fünfzigen, Fürsten aus Zehnen.

Die Organisation, welche von Jitro vorgeschlagen und von Mosche ausgeführt wurde, bedarf einer eingehenden Erwägung. Wenn das שָׂרֵי אֲלָפִים so zu verstehen ist, dass 600 Richter je über Tausend, 6000 Richter je über Hundert, usw. eingesetzt wurden, und alle die gleichen Kompetenzen hatten, so wäre jeder Einzelne des Volkes vier Richtern untergeben gewesen, seinem Zehnrichter, seinem Fünfzigrichter, seinem Hundertrichter und seinem Tausendrichter. In der Ausführung wären notgedrungen Kompetenzzweifel entstanden, die kaum zu dem angestrebten „Frieden“ von כָּל הָעָם הַזֶּה עַל מְקֹמוֹ יָבֹא בְשָׁלוֹם geführt hätten.

Es ist deshalb anzunehmen, dass mit dieser Einrichtung auch eine Rangordnung der Kompetenz begründet wurde.

Ein שַׂר אֲלָפִים ist dann nicht primär der über Tausend Gesetzte, als vielmehr der aus Tausend, etc., als der tüchtigste und beste Auserwählte. Ein שַׂר אַלְפַּיִם war ein aus Tausend, ein שַׂר מֵאָה ein aus Hundert, etc., Ausgewählter. Aus Mosches Bericht in Dewarim 1,13 scheint es auch, dass die Auswahl vom Volk getroffen wurde. Man hat also das Volk in Gruppen von Tausend zusammentreten lassen und aus je Tausend den Besten, und dann in Gruppen von Hundert, aus je Hundert den Besten auswählen lassen, usw. Auf diese Weise erhält man vier Kategorien von Männern, von denen jede vorangehende Kategorie der nachfolgenden an Charakter und Tüchtigkeit überlegen ist. Entsprechend gab es dann vier einander übergeordnete Gerichtskategorien.

Die hier vorgestellten vier Gerichtskategorien finden wir dann auch im jüdischen Staat wieder. An oberster Stelle stand das Sanhedrin, das Kollegium der 71, das seinen Sitz in der Steinhalle des Tempels hatte. Im zweiten Rang standen die beiden Gerichtshöfe mit je 23 Richtern am Eingang der Tempelvorhalle und zum Tempelberg, dann gab es ein Kollegium von je 23 in jeder größeren Stadt und schließlich als vierte Kategorie ein Kollegium von Dreien an jedem Ort.

Es gab die Möglichkeit einer Überweisung eines Falles von kleinen Gerichten an die größeren bis hinauf zum Sanhedrin.

Aber nicht die Parteien appellierten, sondern die kleinen Gerichtskollegien selbst wandten sich in Fällen. die ihnen zweifelhaft waren, an die übergeordnete Stelle. So heißt es ja auch hier: כָּל הַדָּבָר הַגָּדֹל יָבִיאוּ אֵלֶיךָ die Richter selbst bringen Fälle, deren Entscheidung sie sich nicht zutrauen, zu dir. Man darf auch voraussetzen, dass ein שַׂר עֲשָׂרָה mit einer ihm zweifelhaften Frage nicht direkt zu Mosche gehen sollte, sondern zuerst an die übergeordnete Stelle.

Auffallend scheint auch die große Anzahl der Richter, es ergibt sich nämlich die Zahl von 78’600 Richtern, Somit war jeder siebte oder achte Mann in Jisrael ein Richter[1]. Allein, jeder rechtschaffene Mann, der des Gesetzes einigermaßen kundig war, konnte in Jisrael als Richter in einem Dreierkollegium fungieren und jeden Rechtsverweigerer aburteilen und zur Erfüllung des Rechts zwingen[2]. Wenn wir an die Kostspieligkeit und Schwierigkeit der Rechtsauslegung in anderen Kreisen denken, lässt sich die Wohltat dieser Institution erst richtig ermessen.[3]

Die Erwählten des Volkes waren aber wohl nicht nur für Entscheidungen von Prozessen bestellt.

Ihnen oblag auch die Belehrung des Volkes, indem sie das von Mosche offenbarte Gesetz dem Volk ausführlich erklärten und im Gedächtnis des Volkes wachhielten.

So fasst auch der Rambam in seiner Einleitung zur Mischna, die in Eruwin[4] mitgeteilte Lehrordnung auf. Mosche teilte das Gesetz zuerst Aharon, dann in dessen Anwesenheit seinen Söhnen, sodann den Ältesten in Gegenwart aller dreier, und dann in Gegenwart aller der Volksgesamtheit mit. Dann lehrten die hier gewählten Gesetzesbeamten das Gesetz mit dem Volk bis zur vollständigsten Anwendung[5].

  1. Sanhedrin 18a
  2. Sanhedrin 5a: Tossfot דן אפילו יחידי
  3. Dieses Kapitel, unmittelbar vor dem Bericht über Matan Torah, lehrt uns einmal mehr, dass Mosche niemals aus sich heraus dem Volk Verfassung und Gesetz erteilt haben konnte. So wenig organisatorisches Talent war ihm eigen, dass er die ersten Elemente einer Staatseinrichtung von seinem Schwiegervater lernen musste. Der Mann, der sich bis zur Erschöpfung abmühte und nicht auf die Idee einer so naheliegenden Lösung kam, der Mann, dem erst ein Jitro die Einsetzung von Richtern raten musste, dieser Mann hat nicht von sich aus Verfassung und Gesetze erteilt, dieser Mann war nur, und gerade darum, das treueste Organ G-ttes.
  4. 54b
  5. וְיָשׁוּטוּ הַשָּׂרִים עַל כָּל יִשְׂרָאֵל לְלַמֵד וּלְהַגּוֹת עַד שֶׁיֵּדְעוּ בְּגִרְסֵהּ הַמִּצְוָה הַהִיא וְיִרְגְּלוּ לִקְרוֹתָהּ וְאַחַר כָּךְ יְלַמְּדוּם פֵּרוּשֵׁי הַמִּצְוָה הַהִיא הַנְּתוּנָה מֵאֵת ה‘ עכ“ל

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