Bearbeitet von Dr. Ari Lewenstein und erschienen im Buch „Glanzlichter der Tora – Meore Hassar“.
Der dritte Standort: רֹאשׁ הַפְּעוֹר, die Spitze des Peor. Balaks Frage: Wie steht dieses Volk zur Sittenreinheit?
Von den במות בעל und שדה צופים, vom Standpunkt des physisch Materiellen und vom Standpunkt des göttlich Geistigen war Jisrael für Balak nun unangreifbar. Es kann aber eine Nation trotz aller physisch-materiellen und geistigen Gaben doch unrettbar ihrem Untergang zueilen. Dies, wenn die Nation selbst einen durch Fäulnis bedingten „Wurmfraß“ im Innern nährt, der all den Segen in Unsegen verkehrt, und die Nation unfähig und unwürdig macht, Segen zu empfangen und Segen zu erhalten. Diese Fäulnis heißt: Sittenlosigkeit, heißt schamlose Hingebung an ausschweifende Sinnlichkeit.
Balak führte Bil’am zu der auf die Öde hinausschauende Spitze der vergötterten Schamlosigkeit, dies ist ja der Kult des „Peor“, der die tierischste Seite des menschlichen Körpers den Göttern zuwendet. Dieser Kult spricht zum Menschen: was träumst du von Keuschheit und höherem sittlichen Beruf, dein eigener Körper sagt dir doch, dass du nicht besser und zu nichts Höherem berufen bist als das Tier – und du musst dich dessen vor den Göttern nicht schämen!! Balak stellte Bil’am hier die Frage: Wie steht das Volk zur Keuschheit und zur Sittenheiligkeit, in welcher zuletzt die nationale Kraft und Blüte der Nationen wurzelt?
Glaubte Balak denn an die Kraft der Sittenreinheit für den Erfolg einer Nation?
Es stellt sich die Frage, weshalb wohl ein Balak an den hohen Wert von Keuschheit und Sittenheiligkeit glauben sollte? Wird nicht der gleiche Balak bald einmal die Töchter und Frauen seines Volkes zur Verführung der Männer Jisraels schamlos zur Unzucht schicken?
Die Antwort lautet: Unsere Weisen sagen schon bei der Vergewaltigung von Dina durch Schechem[1], dass ein solches Verbrechen damals selbst unter nichtjüdischen Nationen strengstens verpönt war וְכֵן לֹא יֵעָשֶׂה, אֲפִילּוּ בְּאוּמוֹת הָעוֹלָם שֶׁמִּשָּׁעָה שֶׁלָּקָה הָעוֹלָם בְּדוֹר הַמַּבּוּל עָמְדוּ וְגָדְרוּ עַצְמָן מִן הָעֲרָיוֹת. Es war Bil’am, der Prophet G-ttes, der später Balak diesen Ratschlag gab[2], um Jisrael dadurch vernichten zu können. Dies war ein schwerer Bruch der von den Völkern seit der Sintflut auf sich genommenen und eingehaltenen Gesetzgebung gegen die Unsittlichkeit.
Diese Selbstbeschränkung bestand auch noch zur Zeit von Balak und Bil’am. So erklärt Raschi[3]: וְשִׂפְתוֹת כְּסִיל תְּבַלְּעֶנּוּ – זֹה הַמֵּסִית אֶת חֲבֵרוֹ מִדֶּרֶךְ טוֹבָה כְּגוֹן בִּלְעָם שֶׁפָּרַץ גְּדָרָן שֶׁל אֻמּוֹת שֶׁגָּדְרוּ עַצְמָן מִן הָעֲרָיוֹת מִדּוֹר הַמַּבּוּל וְאֵילָךְ וְהוּא יָעַץ לָהֶם לִהְיוֹת מַפְּרִיקִין נְשׁוֹתֵיהֶם לִזְנוּת[4]. Ausdrücklich sagt Raschi hier, dass Bil’am die damals noch bestehenden Zäune mit seinem perfiden Ratschlag einriss. Balak wusste sehr wohl, weshalb die Generation der Sintflut vernichtet wurde:[5] כִּי הִשְׁחִית כָּל בָּשָׂר אֶת דַּרְכּוֹ עַל הָאָרֶץ. Er war deshalb überzeugt davon, dass eine diesbezügliche Schwäche Jisraels eine himmlische Strafe nach sich ziehen konnte.
- Bereschit 34,2 und Raschi 34,7 ↑
- 24,14 ↑
- Kohelet 10,12 ↑
- “hier ist die Rede von einem, der seinen Freund vom guten Weg verführt wie Bil’am, der die selbstauferlegte Beschränkung der Völker der Welt einriss, die sich seit der Generation der Flut vom ausserehelichen Verkehr enthielten, und er beratschlagte sie, ihre Frauen für die Unzucht freizugeben”. ↑
- Bereschit 6,12 ↑