Wochenabschnitt Zaw – Schabbat HaGadol – Die Verbindung zwischen dem „Korban Todah“ und „Jeziat Mizrajim“

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Korban

Ein „Korban Todah“, kann von jedem Menschen freiwillig dargebracht werden, der aus irgend welchem Grund G‘tt seinen Dank ausdrücken möchte. Außerdem ist sie ein Pflicht-Korban für eine aus den folgenden vier lebensgefährlichen Situationen gerettete Person: Wer von einer schweren Krankheit genesen war, wer aus dem Gefängnis befreit wurde, und wer das Meer überquert oder die Wüste durchquert hat[1].

Das Korban Todah unterscheidet sich daher von allen anderen Pflicht-Korbanot, die als Sühne irgend eines Vergehens dargebracht werden.

Dieser Unterschied zeigt sich bereits im Wesen dieses Korban, das ausser dem üblichen Tier als Korban aus zusätzlichen 40 Chalot bestand, von denen 30 Mazzot und 10 Chamez sind, was es bei keinem anderen Korban gab. Auch der Umstand, dass ein Korban zugleich aus diesen beiden Gegensätzen „Chamez und Mazza“ besteht, lässt aufhorchen!

Der Siporno[2] deutet den Sinn dieser Chalot so, dass das Chamez eine Andeutung auf den Grund und die Ursache dieser aufkommenden Lebensgefahren darstellt, dem שאור שבעיסה, der „der Hefe im Teig“ gleichenden ‚Jezer haRa[3]. Der Mensch muss sich stets bewusst sein, das jede Situation in seinem Leben mit ihm persönlich, sprich mit seinen inneren Problemen, zu tun hat.

Die Mazza hingegen deutet auf die g’ttliche Gnade hin, die ihn aus den Fängen des bösen Triebes rettet, und deshalb wird mehr Mazza als Chamez dargebracht.

Weshalb aber muss selbst die Mazza aus drei verschiedenen Sorten bestehen?

Dies erklärt Don Jizchak Abrabanel anhand einer Feststellung des Ramba“m in seinem Werk “More Newuchim“, wonach jegliches den Mensch bedrohendes Böse zu drei Kategorien gehört:

a) Der aus zerbrechlicher und vergänglicher Materie bestehende Mensch unterliegt der natürlichen Bedrohung von Krankheiten und körperlichem Zerfall, denen er gegenüber machtlos ist.

b) Er ist der Bedrohung seiner Mitmenschen und Umwelt ausgeliefert.

c) Oder er richtet sich selber zugrunde, in dem er nicht auf eine richtige, gesunde und angemessene Ernährung achtet oder sich anderen Gefahren aussetzt.

Folglich entstehen die meisten Probleme der Menschheit durch ihr eigenes Verschulden und sie können daher keine Klagen gegen ihr durch Hkb“H besiegeltes Schicksal vorbringen. Denn sie haben es sich selbst zuzuschreiben.

Um so mehr müssen sie Haschem dankbar sein, wenn Er sie auch aus diesen natürlich bedingten Bedrohungen rettet!

Interessant ist der alte, bereits in Vergessenheit geratene aschkenasische Minhag, die drei Mazzot für den Sederabend aus genau einem Zehntel Ejfah (איפה) Mehl[4] zu backen, als Erinnerung an die „Lachme Todah“, die aus jeweils einem Zehntel gemacht werden mussten[5]. Dies soll an den Auszug aus Mizrajim erinnern, wo der Klall Jisrael aus dem Gefängnis kommenden Häftlingen glich, die ein „Korban Todah“ darbringen musste. Manche fügen hinzu, dass sie auch einem genesenden Kranken glichen, da viele bei den schweren und gefährlichen Arbeiten, die sie verrichten mussten, verletzt worden waren[6]. Und bei „Keriat Jam Suf“ (Spaltung des Schilfmeeres) wurden sie auch aus den Gefahren des Meeres gerettet[7].

Ebenso war der Klall Jisrael im ‘Galut Mizrajim‘ allen erwähnten drei Arten der irdischen Gefahren des natürlich bedingten Bösen ausgesetzt: Ausser den menschlichen Schwächen und Leiden, mit der das Volk durch die Natur ausgeliefert war oder sich selbst zugrunde richtete, wurden sie auch noch von ihren Mitmenschen bedroht, auf schändliche Weise versklavt und ausgenutzt.

Auch wenn wir den erwähnten Minhag heute nicht mehr haben[8], so dürfte dennoch in der Verwendung von genau drei Mazzot in der Seder-Nacht, eine Erinnerung an die drei Sorten Mazzot des „Korban Todah“ enthalten sein.

Vielleicht wird deshalb die eine Mazza beim Seder-Abend in zwei Teile gebrochen, wobei die grössere Hälfte für den Afikoman versteckt wird. Wir erinnern uns daran, dass wir zwar seit dem Auszug aus Mizrajim aus der ägyptischen Knechtschaft befreit sein, ebenso aus der geistigen Krankheit erlöst wurden und die Torah erhielten und den Gefahren des Meeres auf wundervolle Weise entronnen sind. Da wir uns aber noch immer in einem Galut befinden, warten wir auf die endgültige Erlösung mit dem Wiederaufbau des ‚Bet haMikdasch‘ (Tempels). Deshalb wird von der einen Mazza, die an die physische Befreiung aus Mizrajim erinnert, die grössere Hälfte weggelegt. Dies stellt eine innige Bitte an Haschem dar, uns auch mit der fehlenden Hälfte der Erlösung zu erfreuen, damit wir anstatt der Mazza des Afikomans, das echte Korban-Pessach in Jeruschalajim essen können.

Im ‚Galut Mizrajim‘ gab es jedoch ausser den drei erwähnten irdischen Gefahren noch eine weitere und viel schlimmere: Das geistige Galut, die Gefahr der totalen Assimilation – Chamez!

Am „Schabbat haGadol“ (10. Nissan) begann sich Jisrael aus dem „mizrischen Chamez“ zu lösen und bekämpfte es mit den zwei Mizwot des „Dam Mila“ und „Dam Pessach“, dem Blut der vollzogenen Brit-Mila und des Schächtens des Korban Pessach, dem ägyptischen Götzen.

Zum Zeichen der akzeptierten Teschuwa, erhielten sie am Pessach von Haschem die „Mazza“!

Die Rischonim wundern sich nämlich über die Mizwa der Mazza, welche die Bne Jisrael bereits in Mizrajim erhielten, um es mit dem Korban Pessach und dem Maror zusammen zu essen (Schmot 12,8). Die Mazza war doch eine Erinnerung an den eiligen Auszug aus Mizrajim, wie die bekannten Worte von Raban Gamliel lauten[9], die in der „Hagada schel Pessach“ zitiert werden: „Diese Mazza, die wir essen, aus welchem Grund erfolgt dies? Weil der Teig unserer Väter nicht Zeit hatte zu säuern, bis G’tt ihnen erschien und sie erlöste…“ Weshalb also aßen sie Mazza noch vor dem Auszug? Diese Mizwa wurde ihnen wegen des später geschehenen Wunders im Voraus befohlen, da Hkb“H wusste, dass Er sie so schnell hinausführen wird, bevor ihr Teig zu Chamez säuern wird[10].

Dies ist äußerst bemerkenswert, da ansonsten die Mizwot, die als Erinnerung eines Wunders befohlen sind, immer erst nach dem Geschehen des Wunders gegeben wurden. Es ist offensichtlich, dass hier eine Ausnahme geschah: Haschem wollte dem jüdischen Volk unbedingt schon am Pessach-Abend die Mazza schenken, weil es zu diesem Zeitpunkt von der Stufe ihres geistigen Chamez auf die Stufe der Mazza gelangte!

Dies stimmt mit der Ansicht vieler Rischonim überein, wonach Jisrael beim „Pessach Mizrajim“ noch kein Verbot von Chamez erhalten hatte[11] (nach einigen, nur in der ersten Nacht von Pessach, aber nicht am Tag[12]). Sie hätten also ihren restlichen Teig aufgehen lassen können. Trotzdem hält der Passuk fest, dass ihnen dies unmöglich gemacht wurde (12,34/39): „Das Volk nahm seinen Teig, noch bevor es gesäuert war, [sie trugen] ihre Teigreste eingebunden in ihre Tücher auf ihre Schultern… Sie buken den Teig, den sie aus Mizrajim mitgenommen hatten zu Mazzot- Kuchen, denn er war kein Chamez (ungesäuert), weil sie aus Mizrajim getrieben und sich nicht aufhalten konnten, daher hatten sie sich keinen Reiseproviant vorbereiten können“.

Hkb“H hatte es also so eingerichtet, dass die Bne Jisrael am Tag ihres Auszug aus Mizrajim kein Chamez aßen, obwohl dies noch nicht verboten war und stattdessen nur Mazza assen!

Deshalb beträgt der Unterschied im Zahlenwert zwischen חמץ (8+40+90) und מצה (40+90+5) drei, da das Volk bereits drei Mizwot erfüllt hatte, um sich vom „Chamez“ zu lösen: „Dam Mila“, „Dam Pessach“ und die Mizwa des allerersten Mazza-Essens in Mizrajim vor dem Auszug.

Obwohl das „Korban Todah“ so sehr mit dem Auszug der Bne Jisrael aus Mizrajim verbunden ist, konnte es aber gerade am Pessach, wie auch am Erew Pessach, wegen des frühzeitigen Chamez-Verbotes nicht dargebracht werden. Aus diesem Grund wird an diesen Tagen die Tefila „Mismor leTodah“ bei Schacharit (am Erew Pessach und Chol haMoed) von vielen nicht gesagt[13].

Wie die Mischna berichtet, wurde im Bet haMikdasch an jedem Erew Pessach zwei Chalot eines ‘passul‘ (unbrauchbar) gewordenen Korban Todah, auf das Dach des Säulengangs gelegt, den den „Har haBajit“ (Tempelberg) umringte. Dies galt als weithin sichtbares Zeichen, wie lange man noch Chamez essen durfte. Sobald eines der Brote weggenommen wurde, wusste man, dass die Zeit des Eßverbots gekommen war, und nachdem auch das zweite Brot weggenommen wurde, musste man das Chamez verbrennen. Eigentlich hätte man auch ganz andere Erkennungszeichen anwenden können. Dass man gerade die nicht mehr verwendbaren Chalot eines „Korban Todah“ benutzte, lässt aufhorchen! Vielleicht war es als Erinnerung an das an diesem Tag von Erew Pessach fehlende Korban Todah gedacht, das an diesem Tag mit der Geschichte des Klall Jisrael so sehr verbunden ist, aus „technischen“ Gründen jedoch nicht dargebracht werden konnte.

Mit den zwei Chalot wurde der „chamez’digen“ Brote des Korban Todah gedacht, während die drei Mazzot am Seder-Abend an dessen drei Sorten Mazza erinnern.

Manche erklären, dass auch wir heutzutage an diese zehn Chamez-Brote des Korban Todah erinnern, anhand des Minahg vieler zehn Stückchen Chamez in der Nacht zum 14. Nissan bei „Bedikat Chamez“ zu suchen und danach verbrennen[14].

Und wo bleibt das „Korban Todah“ selber?

Das stellt jeder Jehudi in der heiligen Seder-Nacht selbst dar, während er Hkb“H innig, andächtig und aus ganzen Herzen mit dem Erzählen Seiner Wunder lobt und mit dem Singen des ‚Hallel‘ preist![15]

  1. Raschi 7,12 gemäss Berachot 54b
  2. Rabbi Owadja Siporno sZl. aus Oberitalien (ca. 5230-5310/1470-1550), amtierte als jüdischer Rabbiner und Lehrmeister in Rom und Bologna.
  3. Chasal (Berachot 17a) vergleichen den ‘Trieb zum Bösen‘ mit der Hefe im Teig, die ihn aufgehen lässt und an die schlechte Eigenschaft von ‘Hochmut‘ erinnert, die Wurzel alles Übel. Der ‚Jezer haTov‘ hingegen, ist mit der flachen Mazza verglichen, ein Ausdruck von ‘Bescheidenheit‘.
  4. Ein איפה (drei So’oh) ist gemäss den Schiurim von Raw Awraham Chajim Na’eh sZl. 24‘883 cm3 und gemäss Chason Isch sZl. 43‘200 cm3, demnach wäre ein 1/10 Ejfa 2488 bez. 4320 cm3 . Beim Korban Todah wurden 30 Mazzot aus einem Ejfa gebacken, folglich wog eine Mazza ca. 83g bez. 144g.
  5. Tur und Remo in Schulchan Aruch Orach Chajim Ende 475,7 und Minhage Mahari“l (Afijat haMazza Ende 5), Ro“sch Pesachim 10,30
  6. Siehe hierzu Sota 11a, wie gefährlich der Bau von ‚Pitom und Ramses‘ war, und Midrasch Schmot Rabba (11,4), dass Jisrael wilde Tiere für die Mizrim fangen mussten.
  7. Siehe Chid“o in Haggada schel Pessach des Chid“o (Peh Echad zum Abschnitt ‘Tam‘) u.a.
  8. Siehe Mischna Berura 475,41 u.a.
  9. Mischna Pssachim 116b
  10. Awudraham im Namen von Rabbi Josef Kimchi u.a. Siehe ferner Sewach Pessach von R“J Abrabanel und Me’iri zu Pessachim 116a
  11. R”O miBartenura zu Schmot 12,39, Ibn Esra (Perusch haKazar) 12,15, Hagadat Raschba”z in Ma’amar Chamez u.a.
  12. Mahara”m Chalwa’ah zu Pessachim 116b, Schibole haLeket 218 im Namen von Rabbi Jeschaja u.a.
  13. Schulchan Aruch Orach Chajim 51,9 und 429,2
  14. Arisa“l in Pri Ez Chajim (21,5). Eine Andeutung hierzu findet sich in der gemara Pessachim 10a (Scha’ar haKolel 48,3).
  15. Andere erklären, dass das „Korban Pessach“ selber anstelle des ihm ähnlichen ‚Korban Todah‘ war

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT