Wochenabschnitt Beschalach – Die Grundlage der Heiligkeit – das Vermeiden gefährlicher Orte

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Heiligkeit

„Es war, als Par‘oh das Volk wegschickte, führte sie G’tt nicht den Weg durch das Land Plischtim, weil es nahe ist, denn G’tt sprach, vielleicht wird das Volk (ihren Auszug) bereuen wenn sie Krieg sehen und nach Mizrajim zurückkehren“ (13,17).

Der Schlo“H haKadosch leitet aus diesem Umweg eine wichtige Lehre ab:

„Daraus kann gelernt werden, wie weit sich der Mensch von der Sünde fernhalten muss. Er muss sogar Vorsichtsmassnahmen anwenden, um nicht in der Nähe der Gefahr zu gelangen. Auch nachdem Jisrael aus der langjährigen Knechtschaft erlöst worden waren, wollte Haschem sie nicht durch das Land Plischtim nach Erez Jisrael führen, weil dieser Ort die Bne Jisrael zur Umkehr nach Mizrajim verleiten könnte. So zog Er es vor, sie über einen großen Umweg nach Erez Jisrael zu führen, um sie nicht dieser geistigen Gefahr auszuliefern!

Dies meinte der Nawi (Prophet) Jeschaja als er sprach (57,19): „Schalom, Schalom laRachok, welaKarow amar Haschem… – Friede, Friede sei mit Weitstehenden und dem Nahen sagt Haschem…“. Friede sei mit demjenigen, der sich von der Sünde entfernt, sie vielmehr umgeht, um nicht in ihre Nähe zu gelangen. Einen solchen nennt Haschem einen “Nahen“, weil er sich G’tt mit seiner Keduscha nähern möchte“[1].

Zwar hatte sich der Klall Jisrael noch vor ihrem Auszug aus Mizrajim von den ägyptischen Götzen getrennt, und sich mit der ‘Brit Mila‘ und dem Schächten des ‘Korban Pessach‘ Haschem genähert. Doch das alles stand noch auf wackligen Füssen, ein Rückfall konnte leicht geschehen (wie die Tragödie des „Egel haSahaw“ (‘Goldenen Kalbs‘) gleich nach Matan Torah bewies).

Diese Situation kann mit einem Gleichnis erklärt werden:

Wenn ein Kranker durch den Arzt von seiner Krankheit geheilt wurde, so wird ihn der Arzt auch nach der Genesung noch einmal konsultieren. Der Genesende muss gestärkt und vor verschiedenen Gefahren gewarnt werden, die einen Rückfall verursachen könnten.

Auf eine ähnliche Weise erklärt der Verfasser des Kli Jakar (in seinem Werk „Ollelot Efrajim“) den Passuk (Schmot 35,1): „Wajakhel Mosche – Mosche versammelte“. Mosche Rabenu ließ gleich am Morgen nach Jom Kippur das ganze jüdische Volk versammeln[2]. Am „Jom Kippur“ bittet jeder den anderen um Verzeihung, dennoch bleibt oft alles beim Alten, Streit und Hass werden nicht so leicht vergessen. Mosche Rabenu wollte die Versöhnung und das besondere „Achdut“ (Eintracht) des Jom Kippur auch für die darauf folgende Zeit erhalten und versammelte daher alle Jehudim, damit nicht einer dem anderen aus dem Weg geht, sondern sie aufeinander zugehen…[3]

Die Investition in einem mühseligen Heilungsprozess einer Krankheit macht nur dann Sinn, wenn diese nicht nur für einen kurzen Moment wirkt, sondern langfristige Wirkung erzielt! Deshalb muss jeder Genesende gewisse Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um sich vor Rückfällen zu schützen, ob es sich nun um physische oder geistige Gefahren handelt.

So erklärte Raw Jizchak Weiss Hj“d, der als Raw von Karlburg (Oroszvár in Bratislava) und Verbau (Slowakei) amtierte, was wir im Kidusch am Schabbatabend sagen: „T‘chila leMikrae Kodesch, secher liJeziat Mizrajim – der erste aller heiligen Ausrufungen, ein Andenken an den Auszug aus Mizrajim“.

Der Beginn und das Fundament für Keduscha (Heiligkeit) ist, sich an den Auszug von Mizrajim zu erinnern.

Was geschah beim Auszug? Dort lehrte uns Hkb“H, gefährliche und zur Sünde führende Orte zu meiden und lieber einen Umweg zu machen[4].

Man muss sich so lange wie möglich an heilige Orte und „gute Wege“ halten, auch wenn das mühsam und zeitraubend sein sollte. Warum soll man sich unnötigerweise einer Gefahr aussetzen? Manchmal lohnt es sich, in ein weiter liegendes Geschäft zu gehen, um etwas einzukaufen als in einem nahen Laden einzutreten, wenn sich dort oder auf dem Weg dorthin eine geistige Gefahr befindet!

Und dafür ist der Schabbat am besten geeignet, der die Kraft besitzt, den Jehudi zur Erlangung der „Keduscha“ zu verhelfen. Der Schabbat ist nicht nur das Ende der jüdischen Woche, sondern er ist gleichzeitig auch deren Anfang. Somit sind alle Werktage von Tagen der Heiligkeit umgeben, damit das Ziel während den Wochentagen nicht unterwegs, im Trubel des Alltages, vergessen und ‘chalila‘ (G’tt behüte) verloren geht.

Deshalb fügen wir beim Ausgang des Schabbats einen „Tosefet Schabbat“ hinzu, um diesen heiligen Tag um einige Minuten zu verlängern und in die neue Woche hineinziehen.

Diese Verlängerung soll uns dazu verhelfen, die Heiligkeit des Schabbats, die gerade erhaltene neue Kraft und Frische in die Wochentage mitzunehmen. Sie soll nicht gleich am nächsten Tag verblassen und mit dem Auslöschen der Hawdalah-Kerze verhaucht sein. Die gefassten Vorsätze für die kommende Woche sollen wirklich eingehalten und ausgeführt werden…

Dies kann auch der Grund dafür sein, dass Hkb“H dem Klall Jisrael die Mizwa von Schabbat bald nach dem Auszug aus Mizrajim, noch vor ‘Matan Torah‘, gesagt hatte, wie es in der dieswöchigen Parscha heisst (15,25): „Scham sam lo Chok uMischpat – dort gab Er ihm (dem Volk) Gesetz und Recht“. Wie Raschi erklärt, ist (unter anderem) damit die Mizwa von Schabbat gemeint, die ihnen Haschem dort zum Lernen gab[5].

Noch bevor Hkb“H dem Klall Jisrael die ganze Torah mit allen 613 Mizwot befahl, wollte Er ihnen diese Grundregel zur Erhaltung der Keduschah lehren, um die gerade erst erworbene Heiligkeit von Pessach und insbesondere die auf sie zukommende Heiligkeit von ‘Matan Torah’ (Offenbarung der Torah), durch die ‘Keduschat Schabbat’ langfristig zu erhalten. Sie ist ein „Secher liJeziat Mizrajim“, ein Andenken, besser gesagt, eine Fortsetzung und ein Bewahren des Auszugs aus Mizrajim!

  1. Schlo“H ‘Torah Schebichtaw‘ Parschat Beschalach
  2. Raschi zur Stelle
  3. Ollelot Efrajim ‚Drusch leJom Kippur‘
  4. Siach Jizchak S. 193
  5. Gemäss Sanhedrin 56b

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