Rabbi Ezriel Tauber SZl – L’ilui nischmat Hamechaber
Zufall?
Inhalt:
- Das Geheimnis der g-ttlichen Vorsehung und deren Verbindung zum ersten Vers der Tora
- Das erste der 13 Glaubensprinzipien
- Der Grund, warum Leben als bedeutungsvoll oder bedeutungslos angesehen wird
- Das ursprüngliche Licht und warum es versteckt wurde
- Der Weg zur Erreichung des ursprünglichen Lichts
- Eine Ansicht, um jüdisches Leiden verstehen zu können
Ich wurde einmal eingeladen, um einen Vortrag zum Thema “Mystik im täglichen Leben“ zu halten.
„Vielleicht“, fing ich an, “fragen sich viele von ihnen: Gibt es so etwas wie Mystik? Und falls es dies gibt, was ist es und was hat es mit mir zu tun, mit meinem alltäglichen Leben? Ich würde es wagen anzunehmen, dass Sie alle hierher gekommen sind, um etwas über Mystik zu hören. Wenn ich aber an dieses Thema denke, schaue ich es von einer ganz anderen Perspektive aus an. Gibt es so etwas wie alltägliches Leben“?
Gibt es alltägliches Leben?
Mit Weisheit schuf G-tt Himmel und Erde[1]
Der Targum Jeruschalmi, eine der klassischen aramäischen Übersetzungen der Tora, übersetzt die ersten Worte der Tora – “Bereschit bara Elokim“ – “Am Anfang erschuf G-tt“ als “Mit Weisheit erschuf G-tt…“ Einfach ausgedrückt heißt dies, dass die Weisheit von G-tt in der Welt eingepflanzt ist. Wenn man die Weisheit von G-tt auf die einfachste Art verstehen möchte, muss man nicht ins indische Gebirge oder zu einer fernen Insel gehen und dort den ganzen Tag meditieren. Wenn man über das weltliche Leben nachdenkt, wird man sprachlos und fasziniert durch die große Weisheit, die hinter jedem Ereignis steht.
Wenn wir mit uns selber ehrlich sind und zurückschauen, um die Ereignisse anzuschauen, die jeden Einzelnen von uns an die Stelle gebracht haben, an der er oder sie jetzt steht, wird man gezwungenermaßen sprachlos sein wegen der unzähligen “zufälligen“ Treffen oder wegen vermeintlichen falschen Entscheidungen, die sich als richtig erwiesen und wegen anderen Ereignissen, die wir für “zufällig“ hielten.
Es wurde gelehrt: Enosch be’enosch paga, (wörtlich) “Menschen treffen zusammen mit Menschen“, also wenn zwei Menschen sich treffen, ist dies kein Zufall. Weshalb gibt es an einem gewissen Wochentag Leute, die von New York nach Los Angeles fliegen, um Geld zu verdienen, während gleichzeitig Leute von Los Angeles nach New York fliegen, um Geld zu verdienen? New York hat genug Geld für den New Yorker Geschäftsmann und Los Angeles hat genug Geld für den Geschäftsmann aus Los Angeles. Warum muss dann hin und her gereist werden?
Oberflächlich würde man sagen, “um Geld zu verdienen.“
In Wirklichkeit ist dies aber, damit Menschen mit Menschen zusammentreffen. Geld ist das Mittel in G-ttes Augen, und nicht das Ziel. Der New Yorker Geschäftsmann muss nach Los Angeles fliegen und der Geschäftsmann aus Los Angeles muss nach New York fliegen, nicht um Geld zu verdienen (obwohl dies hoffentlich passieren wird), sondern weil alle Bewegungen dieser Menschen ein Teil des g-ttlichen Plans sind, verschiedene Leute miteinander in Kontakt zu bringen. G-tt lockt sie nur mit Geld.
Enosch be’enosch paga, wenn zwei Menschen sich treffen, ist dies kein Zufall. Wenn Sie jemanden treffen oder jemand Sie trifft, steckt ein G-ttlicher Zweck hinter diesem Treffen. Es gibt keinen Zufall. Nicht einmal die Tatsache, dass Sie dieses Buch gerade zu diesem Zeitpunkt lesen. Wir haben deshalb alle die Verantwortung zu fragen: Warum brachte mich G-tt in Kontakt mit dieser Person, diesem Buch, diesem Umstand? Dies ist die Meinung hinter der Aussage unserer Weisen, “Jeder Mensch ist verpflichtet zu sagen, wegen mir wurde die ganze Welt erschaffen.“ Ihre erste Verantwortung ist zu wissen, dass die Welt für Sie erschaffen wurde und das alles passiert, weil G-tt Sie zum Zentrum seiner Aufmerksamkeit macht.
Das Geheimnis der g-ttlichen Vorsehung
Man nennt dies G-ttliche Vorsehung oder Haschgacha. Haschgacha geht so weit, dass unsere Weisen uns sagen: Wenn jemand nur eine kleine Münze von jemandem anderem stiehlt (und, natürlich, wenn er mehr stiehlt) “stiehlt er seine Seele“. Warum wird der Diebstahl von Geld mit dem Stehlen der Seele verglichen? Die mystischen Bücher erklären, dass es keinen Zufall in der Welt gibt. Die kleine Münze wurde dieser Person für einen Zweck gegeben, sie ist Teil eines großen Plans. Wenn man sie von dieser Person stiehlt, nimmt man nicht nur fünf Rappen weg, man nimmt etwas, das Teil ihrer Seele ist, weil es ihr gegeben wurde, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen.
Als Überlebender des Holocausts kann ich Ihnen sagen, dass niemand ohne eine wundervolle Kette von “Zufällen“ überlebte. Um Ihnen zu erklären, wovon ich spreche, will ich eine persönliche Geschichte erzählen. Als die Nazis in unsere Stadt kamen und die Juden all ihren Besitz abgeben mussten, nahm mein Vater den Ehering meiner Mutter und vergrub ihn in einer hohlen Wand. Eines Tages wurde uns bekannt, dass ein Knabe Tuberkulose hatte und ins Krankenhaus musste. Die Familie brauchte Geld, um sein Leben zu retten. Deshalb gruben mein Vater und meine Mutter den Ring aus und verkauften ihn, um das Leben dieses Knaben zu retten. Andere sagten, dass meine Eltern verrückt waren, es war aber ein Fall von Piku’ach Nefesch, ein jüdisches Leben war in Gefahr.
Der Knabe wurde ins Spital eingewiesen, er starb aber leider kurze Zeit danach.
Als er ins Spital eingeliefert wurde, durfte man dies nicht unter seinem Namen machen. Er brauchte einen anderen Namen und benutzte deshalb den Namen meines Vaters. Als der Knabe starb, wurde der Todesschein auf den Namen meines Vaters ausgestellt. Kurz danach erhielt mein Vater den Befehl, in ein Arbeitslager einzurücken. Meine Mutter schickte eine Kopie des Todesscheins und dadurch wurde das Leben meines Vaters gerettet.
Dies nennt man Mystizismus im alltäglichen Leben. Und es gibt viele, viele “alltägliche“ Situationen und Umstände, die uns immer wieder passieren und die nicht als geplant betrachtet werden können, die aber immense Auswirkungen auf unser Leben haben. Zudem sind diese Zufälle seit unserer kleinsten Kindheit geschehen. Das Problem dabei ist, dass wir uns nicht die Zeit nehmen, um über ihre Bedeutung nachzudenken und dabei zur Überzeugung zu kommen, dass unser Leben ein Teil eines G-ttlichen Drehbuchs ist.
Wir sind so beschäftigt mit dem Alltag, dass wir uns kaum, wenn überhaupt, die Zeit nehmen, um über etwas nachzudenken. Wir setzen uns Ziele, verfolgen sie – erreichen sie sogar – und finden uns danach enttäuscht und leer. Deshalb setzen wir uns neue Ziele, verfolgen auch sie , erreichen sie und fühlen dass uns immer noch etwas fehlt. Deshalb setzen wir uns neue Ziele und so weiter. Unser ganzes Leben wird zu einer Kette von Zielsetzungen und Enttäuschungen, weil wir uns nie die Zeit nehmen anzuhalten und zu denken.
Ich wiederhole oft die Resultate einer Studie, die vor ein paar Jahren gemacht wurde.
Sie besagt dass nur ein Prozent der Leute in Wirklichkeit denkt. Vier Prozent glauben, dass sie denken, und fünfundneunzig Prozent würden lieber sterben als denken. Man braucht keinen Universitätstitel, um zu denken. (Ein Universitätstitel hilft vielleicht nur, um der zweiten Kategorie anzugehören, denjenigen die meinen dass sie denken. Aber dies ist dann auch alles.) Ihre erste Priorität muss sein, dass Sie ein richtiger Denker werden.
“Mit Weisheit hat G-tt Himmel und Erde erschaffen“. Auch wenn wir nicht alle Toragelehrte und Mystiker sind, können wir wenigstens andeutungsweise den G-ttlichen Plan wahrnehmen, wenn wir uns nur die Zeit nehmen, nachzudenken, was uns in der Vergangenheit geschah und was uns jetzt gerade passiert.
Die Bekenntnisse eines Ökonomen
Vor Jahren wurde ein brillanter, nichtreligiöser Jude, ein Ökonomieprofessor, von der amerikanischen Regierung als Berater in ein zentralamerikanisches Land geschickt. Einige Eingeborene fragten ihn nach seiner Religion.
“Ich bin jüdisch,“ antwortete er.
“Sind Sie religiös? Beten Sie zu G-tt?“ fragten sie.
“Nein.“
“Wie kann das sein? Verstehen Sie nicht, wie schön Ihre Religion ist?“
Um es kurz zu machen, dieses “zufällige“ Ereignis weckte ihn auf und spornte ihn an, mehr über das Judentum zu erfahren. Schließlich kam er in meine Stadt und machte bei mir als Gast seine erste Schabbaterfahrung.
“Was machen Sie?“ fragte ich.
“Ich bin ein Ökonom,“ antwortete er.
“Ich verstehe nicht,“ sagte ich. “Was macht ein Ökonom? Ich meine, ich betrachte mich als Ökonom, im praktischen Sinn. Sie sehen, dass ich eine große Familie habe und wissen muss, wie ich sie ernähren soll. Was bedeutet es aber, ein professioneller Ökonom zu sein?“.
“Sehen Sie,“ antwortete er, “ich arbeite für die amerikanische Regierung. Die meiste Zeit sitze ich mit anderen Ökonomen zusammen und plane die Zukunft des Landes.“
“Was planen Sie”?“
“Sachen wie den Geldfluss, die Zinssätze, den Lombardsatz, Inflation, Rezession, Steuern Steuerkürzungen etc., alles was die Wirtschaft des Landes verbessern kann.“
“Sagen Sie mir ehrlich,“ sagte ich und sah ihm direkt in die Augen: “Passierte es jemals, dass auch nur einer Ihrer Pläne wie geplant umgesetzt wurde?“ Er lachte. “Warum lachen Sie?“ fragte ich.
“Um die Wahrheit zu sagen, war das Ergebnis noch nie wie geplant. Tatsächlich läuft es genau umgekehrt. Wir planen rechts und es geht links; wir planen links und es geht rechts; es geht nie auf. Wenn Sie die Wahrheit wissen wollen,“ fügte er hinzu, “wir wetten untereinander, wer am wenigsten weit weg von der Realität ist.“
Schließlich brachte ich ihn dazu, einer Aussage zuzustimmen, die vor langer Zeit von König Schlomo gemacht wurde:
“Das Herz des Königs und seiner Minister ist in der Hand von G-tt.“ Wenn der am besten ausgearbeitete Plan des Königs und seiner Minister immer noch in der Hand von G-tt ist, dann sind sicher die Pläne von einfachen Leuten wie uns in G-ttlichen Händen. Er steuert alles, damit es so geschieht, wie er es möchte.
Er machte, macht und wird machen
Und G-tt sagte, “es solle Licht sein.“ Und es ward Licht.[2]
G-tt wird “unendliches Licht‘ genannt (siehe Kapitel 2). Was macht Licht zu einem annehmbaren Bildnis für G-tt? Licht muss andauernd sein, es muss in diesem Moment erzeugt werden. Das Licht, das Sie jetzt sehen, ist nicht mehr das Licht eines vergangenen Moments. Im Moment, in dem die Lichtquelle versiegt, hat das Licht keine Fortsetzung mehr. Ein Tisch ist im Gegensatz dazu ganz anders. Im Moment, in dem der Schreiner ihn erstellt hat und weitergeht, bleibt er ein Tisch.
Die Schöpfung ist nicht wie ein Tisch, sie ist nicht da, weil G-tt sie vor langer Zeit erschaffen hat. Würde G-tt nur einen Moment seinen “elektrischen Fluss“ an uns aufgeben, würden wir aufhören zu existieren. Wir sind nicht hier, weil G-tt uns vor langer Zeit eine wesentliche Existenz gab. Wir sind jetzt hier, in diesem Moment, wenn Sie diese Sätze lesen, weil G-tt uns gerade jetzt existieren lassen möchte. Die Ereignisse jedes Moments sind vollständig in seiner Hand.
Dies ist der Grund dafür, dass nichts Zufall ist. Im tiefsten Sinn ist die physische Welt in Wirklichkeit nur die äußere Schale für einen inneren, geistigen Kern. Dieser geistige Kern ist nichts anderes als der Wille des Schöpfers. Wir können dies anerkennen und in Einklang damit leben, oder wir können versuchen, es zu verleugnen und uns zu widersetzen, aber wir können nicht davor fliehen. G-tt führt die Welt.
Dies ist in der Tat der erste Glaubensgrundsatz des Judentums:
Ich glaube mit vollem Glauben, dass der Schöpfer, gelobt sei Sein Name, der Schöpfer und die treibende Kraft über alle Geschöpfe ist. Er alleine hat gemacht, er macht und wird alles Zukünftige machen.
Das ist der erste der berühmten dreizehn Glaubensgrundsätze von Maimonides. “Er hat alleine gemacht, er macht und wird alles Zukünftige machen.“ Die Welt, und jede Sache, wie auch jedes Geschehnis in sich, existieren jetzt, weil G-tt wünscht, dass es jetzt existiert. Deshalb passiert nichts zufällig. G-tt schafft die Welt in jedem Moment von Neuem. Er setzt in jedem Moment einen neuen Wunsch, einen ganz neuen Willen um.
Dies stellt uns vor eine große Aufgabe, eine der schwierigsten Aufgaben, mit der wir als Menschen konfrontiert werden. Einerseits müssen wir aktiv sein, unsere Talente nutzen, Initiative ergreifen und Verantwortung für unser Leben übernehmen. Andererseits müssen wir gleichzeitig zugeben, dass alles durch G-tt dirigiert, geplant und in unsere Herzen eingepflanzt wird und in unsere Wege als Teil eines großen Plans gesetzt wird.
Zugegeben, dies ist paradox. Wir haben einen freien Willen, gleichzeitig ist alles bereits vorgesehen und früher geplant. Keine unserer besten Bemühungen, Gutes oder Schlechtes zu machen, würde Früchte tragen ohne G-tt. Sogar die Gedanken unseres Herzens sind in seinen Händen. “Aber“, sagen Sie, “ich möchte dies oder das machen. Ich habe vollständige Kontrolle über mein Leben.“ Sicher, wir werden alle veranlasst, gewisse Dinge zu machen, aber woher stammen unsere Triebe? Haben wir uns selbst geboren, haben wir unseren Geschmack und unsere Vorlieben gewählt? Ganz klar nicht. Und wovon sind unsere Triebe schließlich abhängig? “Er ist die treibende Kraft. Er hat alleine gemacht, Er macht und wird alles Zukünftige machen.“
Sie haben einen freien Willen, trotzdem leugnet Ihr freier Wille nicht die Tatsache, dass G-tt ihn kontrolliert.
Dies ist das Paradoxe daran. Unser rationaler Verstand sagt uns, dass es nur entweder das eine oder das andere sein kann. G-tt ist aber nicht auf unseren rationalen Verstand beschränkt. Er gab uns freien Willen und gleichzeitig “Er hat alleine gemacht, Er macht und wird alles Zukünftige machen.“
Wenn wir wirklich an diesen ersten Glaubensgrundsatz glauben, und ihn nicht nur intellektuell anerkennen, erhält das “alltägliche Leben“ eine ganz neue Bedeutung. Wenn der Wille von G-tt der Kern der Realität jeder Sache ist, muss es einen Wert für das alltägliche Leben geben; es muss eine Bedeutung für jeden Moment unseres Lebens geben. Jeder Schritt, den wir machen, ist geplant und wird durch eine übergeordnete Weisheit beaufsichtigt, eine Weisheit, die die Schöpfung durchdringt, so wie es der Targum Jeruschalmi lehrt. Jede Person, jeder Ort und jede Zeit der “Realität“ hat eine innere Bedeutung.
Wenn wir andererseits noch nicht zum Verständnis oder zum Glauben des ersten Glaubensgrundsatzes gekommen sind, dann empfinden wir viel (wenn nicht alles) im Leben als bedeutungslos. Wir haben dann keine andere Wahl als die Flucht in ein Kino, einen Roman oder Traumferien zu suchen oder werden in einem unnatürlichen Ausmaß in einer Karriere, einem Projekt oder einem oberflächlichen Lebensstil absorbiert, weil wir glauben, dass das alltägliche Leben bedeutungslos ist und wir damit nichts erreichen.
Wenn wir aber wirklich glauben, dass es einen Schöpfer gibt, kann nichts auf der Welt ignoriert werden, kein fröhliches und kein trauriges Ereignis. Nichts kann ignoriert werden, denn es ist kein Zufall, es ist alles ein Teil eines bedeutungsvollen Entwurfs.
Das verborgene Licht
Und G-tt sagte, “es solle Licht sein.“ Und es ward Licht.[3]
Die Weisen lehren uns, dass das ursprüngliche Licht nicht wie unser heutiges Licht war.
Es schien während den ersten sieben Tagen der Schöpfung (Tag und Nacht), wurde danach aber verborgen. Als das ursprüngliche Licht am Ende des ersten Schabbats verschwand und die Dunkelheit zum ersten Mal über die Welt kam, geriet Adam in Panik, denn er dachte, dass die Welt untergehen würde. Er konnte Licht in Form von Feuer erzeugen, an das wir uns an jedem Ende des Schabbats in der Hawdala erinnern. Er erwachte dann am nächsten Morgen, am Sonntag, im Licht der Sonne, also dem Licht, das unabhängig vom ursprünglichen Licht existiert . Was wir heute “Licht‘“ nennen, das Sonnenlicht, ist nur eine Nachahmung der Wirklichkeit; es ist nicht das Gleiche wie das Licht von “es werde Licht“. Dieses ursprüngliche Licht wurde verborgen und wird für die Gerechten in der zukünftigen Welt wieder offenbart werden. ”‘
In einem tieferen Sinn ist die symbolische Bedeutung des Verbergens des ursprünglichen Lichts die Bildung eines freien Willens. Licht ist ein Symbol für den Willen von G-tt. Das Verbergen dieses Lichts bedeutete, dass er Seinen Willen einschränkte, damit die Menschheit nicht so davon überwältigt wird, dass sie keine andere Wahl hat, als den Willen von G-tt zu befolgen. Mit der Schaffung der Dunkelheit, genauer gesagt, mit der Schaffung der geistigen Dunkelheit, also der Verleugnung von G-tt, dem Bösen, hat er die Möglichkeit geschaffen, zwischen Licht und Dunkelheit, zwischen gut und schlecht, zwischen dem Willen von G-tt und dem “Nicht-Willen von G-tt“ zu wählen.
Dies erklärt die tiefere Absicht in der Aussage, dass G-tt “das ursprüngliche Licht für die Gerechten in der zukünftigen Welt aufhob.“
Anstelle des ursprünglichen Lichts gab er uns das Licht, das wir kennen. Dieses Licht ist nicht so stark, es kann von der Dunkelheit überwältigt werden. In einem geistigen Sinn kann es scheinen, dass die Anwesenheit von G-tt völlig verborgen ist. Und in der Tat sehen wir, dass das Böse anscheinend siegen kann. Ein Hitler kann aufsteigen, die halbe Welt bezwingen und einen Holocaust begehen. Diese Möglichkeit kam zustande, als G-tt das ursprüngliche Licht verbarg und es mit dem heutigen Licht ersetzte. Er machte es möglich, dass die Dunkelheit nicht nur existieren, sondern sogar regieren kann, wenn niemand sich dagegen stellt.
Es stellt sich die Frage – und dies verwirrt insbesondere viele Leute in der heutigen Zeit – wie das Böse bestehen kann, wenn alles ein Ergebnis des Willens von G-tt ist? Kann das Böse in irgendeiner Form Seinem Willen zugeschrieben werden? Die Antwort ist: Schlechte Ereignisse sind nicht schlecht, wenn man sie aus einer längeren Sicht und historisch betrachtet. Sie sind in der Tat nötige Schritte zur Enthüllung des grundlegend Guten.
Stellen Sie sich einen spannenden Film vor. Das Ziel des Filmes ist, die Menschen bis zum Schluss in Spannung zu halten, sie zum Schreien zu bringen und ihnen Angst zu machen. Sie wissen, glauben und hoffen, dass es am Ende gut ausgeht, dafür haben sie Eintritt bezahlt, aber bis zur letzten Szene können sie den Entwurf des Drehbuchs nicht erfassen, wenn es ein guter Film ist.
So ist es auch mit dem Entwurf von G-tt für das Drehbuch der Schöpfung.
Wir glauben und wissen sogar, dass alles zum bestmöglichen Guten führt. Dies macht natürlich nicht zwingend unsere Erfahrung mit den momentanen Schwierigkeiten weniger real. Niemand erwartet von uns, dass wir den Schmerz unterdrücken, wenn uns ein Schicksalsschlag trifft. Es ist kein Widerspruch zu sagen, dass wir daran glauben, dass alles ein verknüpftes Gewebe des g-ttlichen Drehbuchs ist. Wir glauben daran, dass der Autor weiß, was er macht.
Wir müssen verstehen, dass die Dunkelheit und das Böse nur durch den Willen von G-tt ermöglicht werden (entweder weil er es so möchte oder weil er beschlossen hat, die dunklen Kräften temporär regieren zu lassen). Er webte bewusst ihre Existenz in das Gewebe der Schöpfung.
Dies erlaubt es uns, die wahre Dynamik hinter dem jüdischen Leiden zu verstehen. Das jüdische Volk ist hier, um ein “Licht zwischen den Völkern“ zu sein, um das ursprüngliche Licht zu enthüllen und es in den vier Ecken der Welt zu verbreiten. Wir wurden auf die Welt geschickt, um die Dunkelheit zu vertreiben. Darum haben wir den Auftrag, genau in den Gebieten etwas zu leisten, in denen die Dunkelheit regiert.
Damit ein Jude seinen Auftrag erfüllen kann, muss er daran glauben, dass er, unabhängig davon wie dunkel die “Realität“ aussehen mag, einen speziellen Einblick und Werkzeuge hat, um alles als eine Offenbarung des G-ttlichen Willens anzusehen. Die Quelle des Glaubens eines Judens ist das ursprüngliche Licht, das in seiner Seele verborgen ist. Es gibt ihm die Möglichkeit, G-tt in seinen alltäglichen Mühen zu sehen, zu sehen, dass es keine Realität außer G-tt gibt. Es gibt ihm die spezielle Fähigkeit, G-tt zu entdecken, was sogar inmitten der Zeiten von Dunkelheit oder Verbergen das Wichtigste ist.
Die Geburtsschmerzen des Glaubens
G-tt führt die Welt. Wenn Sie einen Fehler machen, ist es in Wirklichkeit G-tt, der Sie dazu brachte, den Fehler machen, denn er sah, dass der “Fehler“ irgendwie besser für Ihr endgültig Gutes ist. Wenn jemand Sie beleidigt oder verletzt, ist es G-tt, der ihm und Ihnen ermöglicht hat, in dieser Situation zu sein. Nochmals, G-tt macht dies nur für das endgültige Gute.
Der Gedanke, dass der Wille G-ttes hinter jeder Sache steckt, ist die wirkliche Bedeutung des Glaubens.
Glauben zu haben bedeutet nicht, dass man immun gegen Schmerzen ist. Es ist so wie bei der Geburt eines Kindes. Die Frau, die gebärt, hat starke Schmerzen. Sie weiß aber, dass sie nach der Geburt des Kindes empfinden wird, dass sich diese Schmerzen gelohnt haben. Dieser Glaube an das endgültige Ergebnis gibt ihr die Kraft, die momentanen Schmerzen auszuhalten.
Jede Person, die Schmerzen erleidet, bringt ein “Baby“ zur Welt – das “Baby“ sind Sie selbst. Es ist das vollbrachte Werk, dass Sie der höheren Realität treu geblieben sind – dass G-tt hinter jeder Sache steht, und dass alles zum Guten geschieht – trotz extremer Härte. Mit anderen Worten, Sie haben das Licht statt der Dunkelheit gewählt.
Dies ist die tiefere Lehre hinter den Worten “es soll Licht sein“.
Es möge Licht in unseren Gedanken sein, auch wenn alles andere dunkel scheint. Wenn Sie lernen, G-tt in dieser Welt eines verdunkelten Lichts zu sehen, werden Sie es auch wert sein ihn in der Welt zu sehen, die völlig von Seinem einzigartigen, ursprünglichen Licht erfüllt ist – ein Licht, das nur für Sie verborgen wurde.
Fortsetzung folgt ijH.
Zusammengestellt durch Yaakov Astor, Ins Deutsche übersetzt durch David Halonbrenner, überarbeitet durch Rolf Halonbrenner und Clarisse Pifko
Mit ausdrücklicher Erlaubnis des Copyrightinhabers Juefo.com. Das Sefer kann unter info@juefo.com bestellt werden.