Siebzig Jahre Galut Bawel – 8 – Das grosse Fest

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Fest

 

Wir setzen die Publikation der spannenden Serie «Siebzig Jahre Galut Bawel» fort.

8. Kapitel (3393 3395): Das große Fest

Im Jahr 3393 übernahm der neue König Achaschwerosch, der Enkel von Koiresch, das ganze Königreich von seinem Vater Artachschasto (Kambyses). (Manche sind der Meinung, dass Achaschwerosch nicht aus einer königlichen Familie stammte). Er nahm auch andere Länder ein, bis er über 127 Länder herrschte. Manche sagen, dass es 252 Länder waren, 125 erbte er von seinem Vater und 127 nahm er selbst ein. Da auch er, wie sein Vater, den Weiterbau des Bet Hamikdasch verhinderte, bestrafte ihn Hkb“H; er verlor die Macht über die Hälfte seines Reiches, und es blieben ihm noch 127 Ländern untertänig (Hkb“H bestrafte ihn „Mido keneged Mido“, denn das Bet Hamikdasch steht in der Mitte bzw Hälfte der Welt.)

Bereits bei seinem Grossvater Koiresch waren es die Kutim, die diese Verhinderung verursachten (siehe 7. Kapitel). Auch jetzt sandte ihr Anführer Sanbalat zusammen mit den Söhnen von Haman einen Brief an Achaschwerosch. In diesem behaupteten sie, dass die Jehudim mit dem Bau der bekanntlich sehr starken Mauer von Jeruscholajim einen Aufstand gegen den König planten, um ihm künftig keine Steuern mehr zu zahlen.

Weshalb brauchten sie den sonst eine so gut schützende Mauer?

Da sie, die Schreiber des Briefes, gute Untertanen des Königs seien, könnten sie nicht mit ansehen, wie er durch den Verlust von Steuergeldern der Jehudim einen solch großen Schaden erleide. Dieser Brief wurde von Haman befürwortet, der sich ebenfalls zum König begab, um gegen die Jehudim zu hetzen. In Haman’s Familie wurde der Hass gegen die Jehudim seit vielen Generationen vererbt, da er nämlich von עמלק und עשו abstammte. Auch Waschti, die Tochter von Belschazar und Enkelin von Newuchadnezar, welche die Verlobte von Achaschwerosch war (siehe 5. Kapitel), wollte den Tempelbau verhindern und meinte: „Ein Haus, das meine Väter zerstörten, willst du wieder aufbauen? Das wäre nicht gemäß dem Sinn und Willen meiner Familie, und eine Strafe würde nicht ausbleiben!“

Dieses Komplott gegen den Bau des Bet Hamikdasch blieb jedoch nicht ungestraft.

Haman, seine Söhne und Waschti (wie auch Sanbalat, der Anführer der Kutim) wurden später getötet. Die Strafe von Achaschwerosch war, dass er die Hälfte seines Königreichs verlor. Unter den 127 Länder, die ihm blieben, waren jedoch all diejenigen Länder, in denen die meisten Jehudim der Welt lebten. So mussten alle Jehudim unter der Niedertracht und den Launen von Achaschwerosch leiden. Chasal erklären, dass dies eine Strafe dafür war, dass viele den heiligen Schabbat entweihten, indem sie ihre Geschäfte nicht rechtzeitig am Erew Schabbat schlossen.

Wie groß der Hass von Haman gegen den Klall Jisrael auch war, der Hass, den Achaschwerosch gegen die Jehudim hegte, stellte ihn in den Schatten. Er zeigte ihn jedoch nicht, da sich dies für einen König nicht gehört. Dieser Hass hatte aber einen ganz anderen Grund als die Erbfeindschaft von Haman. Die Sterndeuter und Zauberer sagten dem König nämlich voraus, dass später ein Jehudi seinen Thron übernehmen werde; Achaschwerosch wusste nicht, dass damit der Sohn, der ihm später von seiner zweiten Frau „Esther Hamalko“ geboren wurde, gemeint war.

In seinem dritten Regierungsjahr (3395, 365 v.d.Z.), veranstaltete Achaschwerosch ein riesiges Fest für alle seine Fürsten und Untertanen.

Der Grund dieses Festes war ein ähnlicher Irrtum wie er Balschazar schon unterlaufen war (siehe 5. Kapitel). Er irrte sich bei der Berechnung der 70 Jahre Golus Bowel und meinte: „Belschazar hatte sich bei der Berechnung dieser 70 Jahre geirrt, denn er zählte sie ab der Entstehung des Königreiches Bowel (3318 + 70 = 3388). Als er sah, dass nichts geschah und alles beim Alten blieb, betrank er sich vor Freude und benutzte die כלים (Geräte) des Bet Hamikdasch. Er irrte sich jedoch und wurde getötet! Ich aber irre mich nicht. Die 70 Jahre begannen nämlich erst später, nämlich als Newuchadnezar im Jahr 3327 den König Jehoijochin aus Jeruscholajim vertrieb. Demnach sind die 70 Jahre des Golus Bowel jetzt verstrichen[1] und trotzdem hat Hkb“H die Jehudim nicht erlöst und ihr Bet Hamikdasch wiedererrichtet!“

Erst jetzt glaubte Achaschwerosch, sicher auf seinem Thron zu sitzen und seine 127 Länder fest in seiner Hand zu haben. Wäre es nämlich den Jehudim gelungen, aus dem Golus Bowel erlöst zu werden und das Bet Hamikdasch aufzubauen, so hätte dies auch eine Wirkung auf die anderen Länder von Achaschwerosch gehabt. Sie hätten sich womöglich wie die Jehudim selbstständig machen wollen. Tatsächlich hatte er während dieser drei Jahren gegen einige sich gegen ihn auflehnende Völker zu kämpfen und hatte den Krieg gerade erst beendet.

Achaschwerosch feierte mit diesem Fest auch den Tag seiner Thronbesteigung und heiratete Waschti, die Enkelin von Newuchadnezar (siehe 5. Kapitel), die eben 18 Jahre alt geworden war.

Ausserdem weihte er mit dem Fest seinen neuerbauten Thronsessel ein.

Achaschwerosch besaß den einmaligen Thron von Schloimo Hamelech, den Newuchadnezar von den jüdischen Königen in Erez Jisrael geraubt hatte. Er konnte ihn jedoch nicht besteigen, weil ein solcher „Roscho“ (Frevler) nicht würdig war, auf diesem Thron zu sitzen. Sechs goldene Stufen führten zu ihm hinauf, auf denen sich verschiedene Tiere und 12 Löwen aus Gold befanden. Mit dem Auslösen eines speziell dazu angefertigten Mechanismus wurde man vom untersten Löwen zum höherstehenden Löwen jeweils eine Stufe emporgehoben, bis man zum Thronsessel gelangte. Wer den Mechanismus nicht kannte, wurde wie Newuchadnezar von den Löwen auf die Hüfte geschlagen.

Deshalb ließ Achaschwerosch Fachleute aus Alexandrien bringen, die diesen Thron nachbauen sollten, was ihnen aber nicht möglich war, denn Schloimo Hamelech hatte den Thron mit חכמת אלקים (g-ttlicher Weisheit) gebaut. Daher bauten ihm die Fachleute im Verlauf zwei Jahren einen anderen Thron, und er feierte jetzt dessen Fertigstellung (siehe die genaue Beschreibung des Thrones unter Punkt 15). Diesen Thron ließ er in Schuschan aufstellen, das er zur neuen Hauptstadt seines Königreiches erklärte. Bisher wohnten nämlich die Könige von Poras (Persien) oder Modai (Medien) in Bowel.

Der König sandte Boten und Briefe in alle seine 127 Länder und lud alle seine Fürsten und sein ganzes Militär mit deren Familien und Dienern zu seinem Fest ein. Zuerst kamen diejenigen aus den nahen Ländern und beteiligten sich an diesem herrlichen Fest. Später kamen die aus den ferneren Ländern, deren Reise länger daurte. So dauerte das Fest 180 Tage lang, bei dem man sich im Palast des Königs Tag und Nacht verwöhnen lassen konnte. Jedem wurden seine Wünsche erfüllt, und alle durften essen und trinken, so viel oder so wenig wie sie wollten. Die Gäste lagen auf goldenen oder silbernen Betten, die mit Seide und teuren Stoffen gepolstert waren.

Der König zeigte seinen Gästen während diesen Tagen sein riesiges Vermögen.

Darunter befanden sich auch noch viele Geräte aus dem Bet Hamikdasch, die Dorjowesch noch nicht zurückgegeben hatte. Achaschwerosch hielt sich für klüger als Belschazar und erlaubte sich wie dieser die heiligen כלים des Bes Hamikdasch zu benutzen. Er selbst zog sich auch die Kleider des כהן גדול (Kohen Gadol, also Hohepriesters) an.

Das Fest begann im Monat Nissan und endete ein halbes Jahr später im Tischri; Achaschwerosch wusste nicht, ob die 70 Jahre Golus Bowel nach dem jüdischen Jahresanfang im Nissan oder wie bei den Nochrim (Nichtjuden) im Monat Tischri zu rechnen sind. Als es bereits Tischri wurde und der Kjall Jisrael noch immer nicht erlöst worden war, war sich der König endlich sicher, dass er sie endgültig in seiner Hand hatte und gab seiner Freude mit einem kleineren Fest Ausdruck; Dieses bereitete er nur für die Bewohner der Hauptstadt Schuschan; es dauerte sieben Tage.

Zu diesem Fest waren auch alle Jehudim von Schuschan eingeladen.

Einer der grössten Zadikim dieser Zeit war Mordechai, der noch zur Zeit des ersten Bet Hamikdasch zum Sanhedrin gehörte. Er war vom Schewet (Stamm) Binjamin und ein Nachkomme von Schoul Hamelech (König Scha’ul bzw. Saul). Zusammen mit Jehoijochin (יכניה), dem König von Jehuda, war er durch Newuchadnezar nach Bowel vertrieben worden. Als Dorjowesch später die Erlaubnis zum Wiederaufbau des Bet Hamikdasch gab, wanderte auch er nach Jeruscholajim. Nachdem dann der Bau gestört wurde, begab sich Mordechai nach Bowel. Dort wartete er auf eine Gelegenheit, um sich beim König für die Aufhebung dieses Verbotes einsetzen zu können. Als Dorjowesch Bowel zerstörte, zog Mordechai nach Schuschan, das Achaschwerosch später zu seiner Residenzstadt bestimmte. Manche sagen, dass er auch wegen Esther (siehe 9. Kapitel) nach Bowel zurückkehrte, weil er sie dort besser als im zerstörten Erez Jisrael heranziehen konnte”.

Mordechai warnte die Jehudim davor, sich an diesem Fest zu beteiligen, da dies eine große Sünde ist und sie nur צרות (Leiden) auf sich laden werden. Manche Zadikim, die sich in Schuschan befanden, zogen aus der Stadt, um sich nicht zum Fest begeben zu müssen.

Doch die Jehudim hörten nicht auf Mordechai und gingen zu diesem Fest.

Manche sagen, dass sie dort nicht koscheres Essen aßen und יין נסך tranken. Nach einer anderen Meinung gab der König den Jehudim koscheres Essen und koscheren Wein; trotzdem ist es einem Jehudi verboten, mit einem Nochri zusammen zu essen und zu trinken. Besonders in diesen Tagen hätten sie damit vorsichtig sein sollen, da es während den עשרת ימי תשובה (den drei Wochen der Trauer zwischen dem 17. Tammus und dem 9. Aw) stattfand. Sie meinten jedoch, dass man den König ehren müsse und es daher erlaubt sei. Nachdem sie die Stadt nicht verlassen hatten, wie es die Zadikim getan hatten, wurden sie von den Soldaten gezwungen, am Fest teilzunehmen. So nahmen insgesamt 18’500 Jehudim an diesem Fest teil.

Wie verbittert waren sie dann, als sie sahen wie die heiligen כלים des Bet Hamikdasch und die Kleider des כהן גדולvon den Nochrim benützt und entweiht wurden. So wollten sie nicht länger dort sitzen, weil sie nicht einfach zusehen durften und konnten, wie man das Heilige entweiht. Darauf gab ihnen Achaschwerosch andere Sitzplätze, von denen sie nicht mit ansehen mussten, wie die Nochrim die Geräte benutzen. Eigentlich hätte Achaschwerosch wie Belschazar, der die כלים des Bet Hamikdasch benützt hatte, getötet werden sollen. Er blieb nur im „Sechus“ von Esther leben, die anstelle von Waschti Königin werden sollte und im „Sechus“ von ihrem Sohn, der später wieder die Erlaubnis zum Aufbau des Bet Hamikdasch geben wird.

Am siebten Tag des Festes, am Schabbat, war der König vom Wein berauscht und konnte nicht mehr klar denken.

Neben ihm saßen die sieben höchsten Fürsten des Landes und stritten sich, wer die schönsten Frauen besitze, die Perser oder die Meder. Darauf behauptete der König: „Meine Frau stammt von keinem der beiden Völker ab, sondern vom Volk der Kasdim (wie Newuchadnezar ihr Urgroßvater) und sie ist schöner als alle anderen!“

Die Fürsten wollten dies nicht glauben, und so befahl der berauschte König, dass sie vor Allen unbekleidet erscheine: sie solle dabei nichts außer der Krone tragen. Die Königin Waschti war sehr bösartig und heimtückisch. Es hätte sie nicht gestört, dem Befehl von Achaschwerosch nachzukommen, sie schämte sich nämlich nicht, unbekleidet vor Allen zu erscheinen. Hkb“H schlug sie jedoch mit צרעת (Aussatz) am ganzen Körper, und außerdem wuchs ihr plötzlich ein Schwanz. Deswegen weigerte sie sich und beschimpfte den König durch die Entgegnung, dass er שיכור (betrunken) sei.

Achaschwerosch wurde wütend und wollte sie sofort bestrafen, weil Waschti ihn vor Allen beschämte.

Er bat einige Jehudim, die vom שבט יששכר (Stamm Issachar) abstammten und grosse Chachomim waren, ihr Urteil in dieser Angelegenheit zu fällen. Sie fürchteten sich jedoch davor und behaupteten, dass sie im Golus seit der Zerstörung des Bet Hamikdasch keinen „Ruach Hakoidesch“ mehr haben und daher nicht entscheiden könnten, was zu tun sei.

Darauf rief „Memuchon“, der nach einigen Meinungen Haman Harascha war und der geringste aller Fürsten war, aber vom König für einen guten Freund gehalten wurde, weil er sich für das Verbot des Aufbaus des Bet Hamikdasch sehr eingesetzt hatte und dies, wie er behauptee, für das Wohl des Königs getan hatte: „Waschti hat nicht nur gegen den König gesündigt, sondern auch gegen alle Männer im Reich des Königs. Denn jetzt werden alle Frauen sich ein Vorbild an Waschti nehmen und nicht mehr auf ihre Männer hören. Deshalb muss sie öffentlich hingerichtet werden, und der König soll in einem Brief eine Warnung an alle Frauen der 127 Länder schicken, dass sie auf ihre Männer hören sollen!“. (Manche sind jedoch der Ansicht, dass Memuchon in Wirklichkeit Donijel war, der alte Ratgeber der Könige von Bowel). Sofort befahl der König, dem Rat von Memuchon nachzukommen und Waschti wurde geköpft.

Der Grund für die Bestrafung von Waschti war, dass sie jüdische Mädchen am Schabbat unbekleidet arbeiten ließ.

Sie tat dies um die Jehudim zu beschämen und damit sie nicht aus ihrem Golus erlöst werden, weil sie den Schabbat entweihten. So wurde Waschti „Mido keneged Mido“ bestraft, und musste sich selbst am Schabbat unbekleidet zeigen.

[1] *) Achaschwerosch zählte einfach die Regierungsjahre aller seiner Vorgänger zusammen: Die 37 Jahre von Newuchadnezar (seit der Vertreibung von König Jehoijochin), 23 Jahre von Ewil Meroidach, 3 Jahre von Belschazar, 1 Jahr von Dorjowesch, 4 Jahre von Koiresch und die zwei Jahre von Achaschwerosch ergeben zusammengezählt volle 70 Jahre. Seine Rechnung stimmte sowieso nicht, da die 70 Jahre des Golus Bowel ab der Zerstörung des Bet Hamikdasch im Jahr 3338 gezählt wurden. Aber auch in seiner Berechnung der Regierungsjahre aller Könige irrte er sich, weil nicht alle Regierungsjahre dieser Könige ganze Jahre waren, bei Ewil Meroidach und Koiresch waren es nur halbe Jahre.

Fortsetzung folgt ijH.

Mit freundlicher Genehmigung des Verlegers Hr. S. Beck (Zürich). Bestellungen des Buches «70 Galut Bawel» unter +41 44 241 43 89.

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