Wochenabschnitt Bechukotai – „Amala schel Torah“ – Neues in der Torah entdecken

Datum: | Autor: Rav Chaim Grünfeld | Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag
Neues

„Im Bechukotai telechu…“ – „Wenn ihr nach meinen Gesetzen wandelt, meine Gebote beachtet und sie ausübt, so werde Ich euch euren Regen zur rechten Zeit geben…“

Bekannt ist die Regel, wonach es auf dieser Welt keine Belohnung für die Ausführung der Mizwot gibt[1].

Es wird daher die Frage gestellt, wieso hier die Torah den Erhalt des Regens und anderer irdischen Dinge als Belohnung für den „Kijum haMizwot“ verspricht?

Raschi erklärt, dass mit diesem „Im Bechukotai telechu“ – „Wenn ihr nach meinen Gesetzen wandelt“ nicht wie üblich die gewöhnliche Ausführung der Mizwot gemeint ist, sondern „Schetihju Amelim baTorah“, also dass die Berachot nur dann für Jisrael bestimmt sind, wenn sie sich „im Torah-Lernen bemühen“.

Von Rabbi Josef Karo sZl., dem bekannten Verfasser des Bet Josef und Schulchan Aruch wird erzählt, wie er sich einmal sehr um das Verständnis einer gewissen Stelle der Worte unserer Weisen sl. bemühte. Dies gelang ihm aber nur unter Aufwendung aller seiner Kräfte und der Hilfe eines ‚Maggids‘, eines vom Himmel gesandten Mal’ach (Engel), der mit ihm Torah lernte. Später hörte er einen Jüngling beim Torah-Lernen im Bet haMidrasch zu, der diese schwierige Stelle auf Anhieb richtig zu erklären verstand. Als er sich darüber wunderte, wurde ihm gesagt: „Die Hauptarbeit und die größte Mühe ist es, eine neue Sache zu gestalten. Ist dies einmal geschehen, so ist der Zugang geschaffen und künftig für jedermann leicht zu benutzen, wie der Anschluss einer Wasserleitung, aus der jeder nach Belieben trinken kann, sobald sie einmal geöffnet worden ist“.

So erklärt der Ba’al Schem Tov sZl. die Bedeutung eines „Nes“ (Wunder).

Das Nes ist ein ‚Chidusch‘, eine neue, noch nie dagewesene Sache. Ist sie jedoch erst einmal vorhanden, so wird sie zum Gewöhnlichen, zur Natur. Ein Wunder ist nur etwas Übernatürliches, wenn es zum ersten Mal auf der Welt erscheint.

Damit verstehen wir, weshalb in früheren Zeiten viel mehr Wunder auf der Welt geschahen, während sie heute immer seltener geschehen, weil wir gewisse Wunder gar nicht benötigen. Sie stehen uns bereits ständig zur Verfügung und sind ein Teil unseres normalen Alltag und unserer natürlichen Lebens geworden! Wer betrachtet z.B. einen gewöhnlichen Regen als etwas Außergewöhnliches und empfindet es als etwas Übernatürliches, obwohl wir genau wissen, dass die Natur von Haschem geführt und ständig belebt und erneuert wird, wie es heisst (‘Birkat Jozer Or’): „haMechadesch beTuwo beChol Jom Tamid Ma’aseh Bereschit” – „Der täglich, beständig das Schöpfungswerk erneuert”.

Oder wie in den Sefarim haKedoschim oft zitiert wird, dass das Wort “הטבע” (Natur) denselben Zahlenwert (86) wie ‚Elokim‘ beträgt. Doch als der erste Mensch auf Erden erschaffen wurde, regnete es nicht, bis er zu G’tt dawente[2]. Für ‚Adam haRischon‘ war der Regen demnach etwas Neues und völlig unnatürlich! Der Regen – Teil des Wasserkreislaufs – ging danach aber in die Natur über, und wird vom Mensch nicht mehr als Wunder betrachtet, obwohl der Regen, wie die gesamte Natur überhaupt, aus tausenden von Nissim besteht.

Die Pflicht des Torah-Lernens und der Erfüllung der Mizwot beschränkt sich nicht nur auf die uns gewohnte Art und Weise.

Es ist vielmehr unsere Pflicht, uns immer wieder zu bemühen, Neues zu erlernen, egal ob bezüglich unseres Wissens der Torah, oder deren besseren Verständnisses, oder hinsichtlich der praktischen Ausübung der Mizwot. Wir dürfen uns nicht mit der blossen Interpretierung der Torah begnügen, wie sie von unseren Vorfahren und Lehrern überliefert wurde, sondern müssen bestrebt sein, uns weiter in der Torah zu vertiefen, neue Gedanken zu entwickeln und neue Erkenntnisse in der Torah zu erfassen – „Chidusche Torah“. Ebenso können in der heutigen Zeit durch die uns zur Verfügung stehende moderne Technik und unglaublich vielfältigen Mittel verschiedene Mizwot (halachisch) auf schönere und bessere Art gestaltet und ausgeführt werden.

All dies wird mit dieser „Amala schel Torah“ gemeint, von der Raschi spricht. Durch die Bemühung in der Torah ist es möglich neue Quellen zu öffnen, von denen danach jedermann Nutzen haben kann.

Sei es im besseren Verständnis der Torah oder neue Zugänge und Ratschläge, wie man sich Hkb“H nähern und die tägliche Prüfungen meistern kann.

Diese „Chiduschim“ gleichen einem ‚Nes‘; in der ersten Minute während der Entstehung sind sie etwas Übernatürliches, die praktisch vom Himmel auf die Erde heruntergezerrt wurden. Danach werden sie aber zu etwas Natürlichem, das wie selbstverständlich jedermann offen und leicht zugänglich werden. Dies meint der oben erwähnte Passuk: „Im Bechukotai telechu…“ – „Wenn ihr nach meinen Gesetzen wandelt“ – euch in der Torah bemüht, Neues aufzubringen, „meine Gebote beachtet und sie ausübt“ – in der Theorie, im Torah-Lernen, oder in der praktischen Ausführung der Mizwot. „So werde Ich euch euren Regen zur rechten Zeit geben…“ – ihr eröffnet euch dadurch neue himmlische Haschpa’ot (g’ttliche Fülle) frischer Kräfte von ‚Ruchaniut‘ (dem Geistigen), wie auch neue Quellen von ‚Gaschmijut‘ (dem Materiellen), von denen jedermann Nutzen haben und profitieren kann.

Hier ist also nicht die Rede von einer Belohnung für die verrichteten Mizwot, sondern von ihrer gewaltigen und nützlichen Wirkung für die ganze Welt.

  1. Kiduschin 39b
  2. Chulin 60b

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