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Erklärer

Wer war das?

Wir Jehudim balancieren in so manchem Jahrhundert zwischen den Regentropfen. So hören wir, dass im 15. Jahrhundert 20 jüdische Ärzte in Florenz lebten und ca. 15 in Rom. Jüdische Kaufleute organisierten sich zu Gilden. Das waren die Lichtpunkte, nicht der Jehudim, sondern der Italiener, neben all den Grausamkeiten, die sie uns zufügten: 1479 in Mailand, 1481 in Ferare, 1485 in Mantua usw.

Die halachische Autorität in der Mitte des 15. Jahrhunderts war Rabbi Jossef Collon, abgekürzt der Mahari”k genannt. In folgendem Psak Din erwähnte der Maharik ihn zum ersten Mal: Eine Gemeinde hatte sich beklagt, ein Jehudi habe ein Sefer Tora, welche er der Schul geliehen hatte, in seinen Privatbesitz zurückgenommen. Ob er das dürfe? Der Maharik bezieht sich in seiner Antwort auf seinen Brief an ihn, seinen großen Schüler, dass es Ehrensache sei, das Sefer der Familie des ursprünglichen Besitzers zurückzuerstatten.

Seit rund 500 Jahren trinken wir sein Wasser. Er ist aus unseren Sefarim fast so wenig wegzudenken, wie Raschi zum Schass.

Über seinen Geburts- und Petira-Tag wissen wir nichts Genaues.

Sein Geburtsort ist heute nur ein Dorf in Norditalien, zu Füssen eines Berges, der uns den Blick auf das Adriatische Meer freigibt.

Letztens bat man die Italiener, eine Straße des Dorfes nach ihrem großen jüdischen Sohn zu benennen. Sie kamen dem Wunsche nach. So kann also ein jüdischer Tourist heute auf einen Platz mit diesem klingenden Namen stoßen.

Spann er dort seine „Feine Wolle“ zu Raschi im Chumasch? Auf Raschis Fragen deutend, die uns oft gar nicht bewusst sind. Begann er hier oder in Citta di Castello sein Hauptwerk oder gedieh dieses erst unter der Sonne Jeruschalajims?

Denn – er hatte den festen Beschluss gefasst, nach Erez Jisrael hinaufzusteigen.

Bei einem treuen Freund, Imanuel, hinterließ er sein Vermögen, mit der Bitte ihm jährlich eine bestimmte Summe durch den Ambassadore Fiorentino zukommen zu lassen. Auch sein vermögender Bruder, der mit seiner Familie sehr einfach und bescheiden lebte, beabsichtigte, mit der ansehnlichen Summe von 100 Golddukaten jährlich, sich an seinem Plan zu beteiligen. So began die Reise via Rom, Neapel, Salermo, Messina, Palermo in Sizilien. Hier musste die Reise unterbrochen werden.

Der Wind ließ auf sich warten – die Schiffe konnten nicht in See stechen. Die Jehudim Palermos boten alles auf, um ihn an ihre Stadt zu fesseln. Nur zu gern hätten sie ihn als Raw gehabt. Ihre Gemeinde bestand aus 850 Baale Batim. Sie besaßen ein wunderschönes Bet Knesset. Die Frauen rissen sich darum, seine Wäsche zu pflegen, jede schätzte sich glücklich diesen großen Mann ein wenig verwöhnen zu dürfen. Während seines monatelangen Aufenthaltes in Palermo lehrte er die Baale Batim und lernte mit ihnen, doch sein Ziel, Erez Jisrael, verlor er nicht aus den Augen. Und sein Werk? Wahrscheinlich arbeitete er auch hier daran.

Nach einigen Monaten blies der Wind wieder Richtung Osten des Mittelmeeres – er konnte seine Reise fortsetzen.

Als er die Insel Rhodos passierte, war er von ihren Jehudim begeistert. Schade, dass die jüdischen Flüchtlinge im Zweiten Weltkrieg, von den Engländern in Rhodos hinter Gitter gesetzt, sich seiner Vergangenheit auf der Insel nicht bewusst waren. Vielleicht hätte es ein wenig Trost geboten.

Von seiner Reise haben wir herrliche Berichte. Seine Wahrheitsliebe lässt jedes Wort authentisch sein. Berichte aus zweiter Hand formuliert er vorsichtig: „Man sagt, dass…..”

In Ägypten freundete er sich mit dem vornehmen Rabbi Nathan Hakohen Schalal an. Rabbi Nathan Hakohen ging ihm später zur Hand, als er in Jeruschalajim sein Bet Midrasch aufbaute. Wie seltsam klingen aus dieser Quelle die uns heute so bekannten Namen: Sein Ritt durch die Wüste Sinai mit ihren Oasen, durch El-Arisch, in die damals wunderschöne Stadt Asa mit ihren 170 jüdischen Familien. Dann ging es nach Chewron (auch damals war der Besuch in der Mearat Hamachpela problematisch) und endlich am Ziel: Jeruschalajim.

Ein Jeruschalajim ohne Stadtmauer.

Erst im 16. Jahrhundert zog Scheich Suleiman der Prächtige, die Mauer um die Stadt. Jeruschalajim war ärmlich und verwüstet, so wie der Ramban sie 200 Jahre früher vorgefunden hatte. Die Spuren der Kreuzzügler, der Mongolen, der Mameluken waren erkennbar. Von den 4’000 Einwohnern waren es nur 70 jüdische Baale Batim, die zu seiner Zeit unter den haarsträubenden Ungerechtigkeiten der jischmaelischen Gerichtsbarkeit zu leiden hatten.

Er wurde von der aschkenasischen und sefardischen Gemeinde mit Liebe und Respekt aufgenommen. Seine Objektivität und seine Freundlichkeit erschlossen ihm die Herzen aller. Als er sah, dass es für die jüdischen Verstorbenen niemanden gab, der ihnen zu Kewer Jisrael verhalf, nahm er selbst den Spaten zur Hand. Der Geistesfürst als praktischer Ausführer des „Chessed schel Emet“!

Hier, in Jeruschalajim vollendete er sein Werk, welches mit unserer Tora scheb‘al Pe, Hand in Hand geht.

Wie wird es in der Ausgabe Venedigs aus dem Jahre 1548 beschrieben? „Er erleuchtete den Lernenden, indem er die …….. und deren Kommentare der Rischonim zugleich beleuchtet.” Der Tossfot Jomtow und Rabbi Akiwa Eger weisen daraufhin, wieviel Tiefe und Originalität in seinen „einfachen“ Erklärungen versteckt sind.

Nur ein Beispiel zum Anfang der Massechet Awot: „Warum erwähnt die Mischna „Mosche kibel Tora miSinai“, eine Einleitung, die sonst nirgends notwendig ist?“ Begründung: „Hier sind keine Mitzwot genannt, Ethik gibt es eventuell auch bei andern Völkern, allerdings vom menschlichen Verstand diktiert. Unser Buch der Ethik ist G-ttlichen Ursprungs, genau wie andere Mitzwot auch. Daher: Mosche kibel Tora miSinai [1].“

Allmählich wuchs die jüdische Gemeinde in Jeruschalajim [2]:

Spanische Jehudim, der Inquisition entronnen, schlossen sich ihr an. Er sorgte für ihr physisches und geistiges Wohl. Der Ridba”s nannte ihn den Raw Jeruschalajims. Am Fusse des Har Hasetim am Maajan Haschiloach, in einer kleinen Ausbuchtung der Erde ist sein Kewer.

Für uns heute ist sein Name eine solche Selbstverständlichkeit – jeder Knabe trägt ihn auf seinen Lippen.

Rabenu Owadja Jaré miBartenura (Bertinoro), 15. Jahrhundert