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‘Tu bi Schwat’ – Rosch haSchana le’Ilanot

Am 15. Schwat wird vielerorts kein ‘Tachanun’ gesagt, es darf nicht gefastet werden und man isst in ganz Klall Jisrael vermehrt Baumfrüchte. Obwohl diese Minhagim weder von Chasal, noch in den Schriften der Geonim erwähnt werden, hat ”Tu biSchwat” auch einen halachischen Stellenwert in Chasal, der an dieser Stelle näher untersucht werden soll.

Was geschieht am 15. Schwat mit den Bäumen?

In der Mischna streiten sich die Schüler von Schamai und Hillel darüber, wann der ”Rosch haSchana” der Bäume stattfindet. Gemäss Bet Schamai findet er am Rosch Chodesch Schwat statt, nach Bet Hillel am 15. Schwat[1] [1].

Was ist damit gemeint? Raschi erklärt, dass an diesem Datum das neue Jahr bezüglich des Wachstums aller Bäume beginnt. Sie beginnen neuen Baumsaft (Sraf ha’Ilan – Harz) zu produzieren und dieser Zeitpunkt ist somit der Beginn der Entstehung ihrer Blüten- und Fruchtbildung (חנטה)[2] [2].

Der Grund dafür ist, dass am ”Tu bi Schwat” bereits mehr als die Hälfte der Regenzeit vorbei ist, seit dem 17. Cheschwan [3] sind knapp drei Monate vergangen und bis Rosch Chodesch Nissan sind es nur noch zweieinhalb Monate[3] [4]. Die Kälte lässt daher (zumindest in Erez Jisrael) etwas nach und in den Bäumen stärkt sich die Kraft der neuen Fruchtbildung[4] [5].

Im Jeruschalmi wird noch eine weitere Besonderheit von ‘Tu bi Schwat’ genannt:

Bisher haben sich die Bäume vom Wasser des vergangenen Jahres ernährt, jetzt aber zehren sie vom Regenwasser des neuen Jahres[5] [6]. In den Teschuwot (Responsa) der Ge’onim wird hierzu erwähnt, dass in der arabischen Sprache diese Jahreszeit ”Die Zeit, in der das Wasser in den Baum eindringt” genannt wird[6] [7].

Manche erklären, dass diese beide Gründe miteinander verbunden sind: Das Erwachen der Bäume aus ihrem Winterschlaf, der Antrieb ihrer neuen Saftproduktion im Innern des Baumes nimmt ihren Anfang, in dem sie das Vorhandensein des neuen Regenwassers spüren und nun beginnen, sich nun davon zu ernähren[7] [8].

Welche halachische Auswirkungen hat das Datum des 15. Schwat?

Somit stellt ‘Tu bi Schwat’ ein wichtiges Datum für die neue Ernte der meisten Fruchtbäume dar[8] [9]: Früchte, die vor dem 15. Schwat zu wachsen begannen (חנטה), gehören zur Ernte des Vorjahres. [Mit ‘chanata’ ist nach den Einen die Knospenbildung gemeint, wenn die Blüte runterfällt und nach anderen handelt es sich bereits um Früchte, die aber noch unreif sind[9] [10]]. Sie dürfen daher nicht zusammen mit den Früchten, die nach dem 15. Schwat wachsen, ”verzehntet” (Ma’assar) werden, sondern richten sich nach den Abgabeterminen und -pflichten des Vorjahres[10] [11]. Deshalb darf auch das Ma’asser der alten Früchten nicht auf die neuen übertragen werden[11] [12].

Auch für ”Orla” und ”Neta Rewai”, also wenn man einen neuen Baum gepflanzt hat, und der Genuss der Früchte daher in den ersten drei Jahre verboten sind und im vierten Jahr in Jeruschalajim gegessen werden müssen, gilt der 15. Schwat als Stichdatum[12] [13].

Da das Verbot von ‘Orla’ auch in Chuz la’Aretz besteht[13] [14], besitzt der 15. Schwat somit auf der ganzen Welt einen halachischen Stellenwert.

Dies gilt sogar für die südlich des Äquators gelegenen Ländern wie z.B. Australien, wo der Monat Schwat in die Sommerzeit fällt und deren Regenzeit eine ganz andere ist. Da dort kein Regen zwischen Rosch haSchana und dem 15. Schwat fällt, ist es offensichtlich, dass Bäume, die bereits vor Tu bi Schwat Blüten tragen, diese aus dem Baumsaft, der sich vor Rosch haSchana – also im alten Jahr – gebildet hat, entstanden. Außerdem, fügt er hinzu, richten sich alle Länder in Bezug des Regens nach Erez Jisrael[14] [15].

Ob und wieweit der 15. Schwat auch hinsichtlich des ”Schmittajahr” massgebend ist, herrscht eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Posskim[15] [16].

Nach welchem Kalendersystem richtet sich die Bildung des neuen Baumsafts?

Wie oben erklärt, bezeichnet die Mischna die Bildung des neuen Baumsafts (‘Sraf ha’Ilan’) mit ”Rosch haSchana der Bäume”. In der Gemara stellt Rabbi Jochanan dem Rabbi Janai die Frage, ob mit diesem ”Monat Schwat” der gewöhnliche Monat Schwat unseres Kalenders gemeint ist, der nach dem Mondjahr gezählt wird oder der Monat Schwat gemäss der ‘Tekufah’, der Jahreszeiten, die sich nach dem Sonnenjahr richten? Rabbi Janai antwortete: ”Gemäss den Monaten des Mondkalenders”[16] [17].

Die Ba’ale Tosafot wundern sich darüber, denn die Früchte der Bäume reifen durch die Sonnenwärme, wie es heisst (Dewarim 33,14): ”uMimeged Tewuot Schemesch – mit dem Köstlichsten des Ertrags der Sonne”, womit die Früchte gemeint sind, die von der Sonne gezeitigt werden, wie Raschi erklärt[17] [18].

Sie antworten darauf, dass Jisrael ihren Kalender nach dem Mondjahr richten[18] [19].

Diese Antwort ist aber schwer zu verstehen: Wird sich denn der Zeitpunkt der Bildung des neuen Baumsafts ändern und sich nach dem von uns bestimmten Kalender richten?

Der Chatam Sofer sZl. wundert sich auch über die Entscheidung der Gemara, dass auch in einem Schaltjahr der 15. Schwat als Stichdatum gilt, und zwar derselbe Monat Schwat wie in allen anderen Jahren und nicht ‘Adar Rischon’, der dieses Jahr eigentlich auf den Platz des Monats Schwat tritt. An anderer Stelle hingegen verbieten Chasal dem ‘Kohen Gadol’, an den Beratungen des Sanhedrins (oberste jüdische Gerichts-Instanz) über die Notwendigkeit eines Schaltjahres, ob das kommende Jahr um einen Monat verlängert werden soll, teilzunehmen . Der Grund dafür ist, dass der ‘Kohen Gadol’ womöglich ein Eigeninteresse hätte, diese Verlängerung zu vermeiden, weil er am Jom Kippur fünfmal in die Mikwa gehen muss und dies dann (im Jahr darauf) einen Monat später, also in die kalte Jahreszeit des “eigentlichen” Monats Marcheschwan fallen würde.

Raw Papa folgerte aus dieser Verordnung, dass sich die Jahreszeiten nicht anhand ”unseres” Kalenders richten, sondern trotz des vom Sanhedrin ausgerufenen ”Schaltjahres” ihren normalen Lauf nehmen:

Obwohl jetzt der Monat ‘Tischri’ ist, wird es kalt werden, weil gemäss dem Sonnenjahr jetzt bereits Cheschwan ist.

”Wir sehen also”, fragt der Chatam Sofer, ”dass sich die Kälte und Wärme trotz des Schaltjahres nicht ändern. Weshalb haben Chasal dann beschlossen, dass der ”Rosch haSchana der Bäume”, der sich doch anhand des Sonnenzyklus richtet, immer im Monat Schwat des Mondjahres stattfindet?

Außerdem ist unverständlich, was Raw Papa uns mit seiner Schlussfolgerung hören lassen möchte, was wir nicht ohnehin schon wussten: Es ist doch eine ganz klare Sache, dass die Wärme und Kälte der Jahreszeiten sich nicht vom ”Schaltjahr” beeinflussen lassen!”

Im Jeruschalmi wird jedoch eine äußerst wichtige Grundregel erwähnt, wonach sich die Natur der Menschen und die Umwelt nach dem vom Klall Jisrael bestimmten Kalenders richten und sich ihm anpassen![19] [20]

Diese Regel hat viele halachische Auswirkungen, wonach Geschehnisse rückwirkend für nichtig und als ”nie geschehen” erklärt werden, wenn z.B. das Bet-Din einen Schaltmonat bestimmt und im Nachhinein den alten Monat um einen Tag verlängert[20] [21].

Deshalb hätten wir annehmen können, führt der Chatam Sofer aus, dass auch die Klimaverhältnisse vom Verordnen eines ”Schaltjahres” beeinflusst werden und sich anpassen. Raw Papa lässt uns daher mitteilen, dass dem nicht so ist, denn die Natur ändert sich nur in denjenigen Dingen, die mit den ”Hilchot haTorah” kollidieren oder in Berührung kommen. Die normale Kälte und Wärme des Sonnenjahres müssen sich daher nicht dem jüdischen Kalender unterordnen, da sie nicht in direktem Zusammenhang mit der Halacha in Berührung kommen. Deshalb kann der ‘Kohen Gadol’ tatsächlich im Tischri mit der Kälte des Cheschwan konfrontiert werden. Aber das Stichdatum von ”Tu biSchwat”, das für zahlreiche Halachot massgebend ist, untersteht somit dem Gesetz und der Kraft der heiligen Torah, die den Monat Schwat aus dem gewöhnlichen Zyklus des Sonnenjahres aushebelt und ihn unter die Beeinflussung des Mondkalenders stellt!

Die Bäume beginnen daher mit der Bildung des neues Baumsafts am ”Tu biSchwat”, trotz der noch herrschenden Kälte im Schaltjahr.

Für sie ist jetzt der Monat Schwat, also der Zeitpunkt von ihrem ‘Rosch haSchana’, ihrer Erneuerung, angekommen, auch wenn für die Welt draußen noch immer die eisige Kälte einer anderen Jahreszeit herrscht. Weil es die Kraft der Torah ist, die die Realität des ganzen Universums bestimmt – sie ist die wahre Wirklichkeit![21] [22]

  1. Mischna Rosch haSchana 2a und Gemara 15a [23]
  2. R”H 12b und 14a, Ritw”o 12b und siehe hierzu ausführlich ‘Kehilot Jakov’ (-Steipeler) zu Massechet Rosch haSchana Kap. 14 [24]
  3. R”H 14a gemäss Rabenu Chananel und Me’iri. Siehe ferner Teschuwot haGe’onim (-Harkavy) 243 [25]
  4. Me’iri R”H 2a [26]
  5. Jeruschalmi R”H 1,2 [27]
  6. Teschuwot haGeonim ibid. [28]
  7. Verschiedene Meforschim zu Jeruschalmi. S.a. Chason Isch (Schewi’it 7,13) und Kehilot Jakov ibid. [29]
  8. Bezüglich ‘Oliven und Trauben’ herrscht eine Meinungsverschiedenheit, siehe ausführlich Encyklopedia Talmudit Bd16/S.226 [30]
  9. Es gibt hierzu eine grosse Meinungsverschiedenheit, welches Stadium der Fruchtentwicklung mit חנטה gemeint ist, siehe hierzu ausführlich Encyklopedia Talmudit ibid. S.215 und haMoadim beHalacha (-Sewin) S.185 [31]
  10. R”H 15b und Tosefta Schew’it Ende Kap.4. S.a. Ramba”m Hilchot Ma’assar Scheni 1,1 und Schulchan Aruch Jore Dea 331,125 [32]
  11. Raschi, Me’iri und Ra”n zu R”H 2a und Ritw”o 12b [33]
  12. R”H 2a und 10a, Rambam Hilchot Ma’assa Scheni 9,9 und Schulchan Aruch Jore Dea 294,4. Mehr dazu siehe Encyklopedia Talmudit Bd16/S.156, haMoadim baHalacha ibid. S.183 und BirkatDawid (- Mandelbaum) zu Tu biSchwat S.16 [34]
  13. Mischna Orla 3,9, Mischna Kiduschin 37a und Gemara 38b, Rambam Hilchot Ma’chalot Assurot 10,10 und Schulchan Aruch Jore Dea 294,8 [35]
  14. Encyklopedia Talmudit ibid. gemäss Teschuwa des R. Pessach Zwi Frank sZl. in Kowez ‘Kol Torah’ Tischri 5730. Zudem erwähnt er er noch, dass das Hauptverbot der Torah von ‘Orla’ sich auf Erez Jisroel bezieht. Siehe hierzu auch Schu”t Minchat Schlomo (-Auerbach) Bd1/62,6. [36]
  15. Siehe ausführlich Encyklopedia Talmudit ibid. S. 159, haMoadim baHalacha S.184 und Birkat Dawid ibid. S.17-19 [37]
  16. R”H 15a [38]
  17. Raschi zu Dewarim ibid. gemäss Sifri [39]
  18. Tosfot R”H ibid. [40]
  19. Siehe Jeruschalmi Nedarim 6,13 [41]
  20. Siehe ausführlich Scha’ch zu Schulchan Aruch Jore Dea 189,13 gemäss Schu”t Mahara”i Minz 9. S.a, Schu”t Chatam Sofer O”Ch 14 [42]
  21. Schu”t Chatam Sofer ibid. [siehe hierzu auch ‘Likute heArot’ (-Goldstein) 14,2] [43]